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Eine wichtige Lehre aus dem Vergleich beider Verfassunggebunsprozesse ist nicht von der Verfassung als absoluter und einziger Quelle einer stabilen Demokratie bzw einer stabilen Ordnung der verfassten Einheit auszugehen. Das in der jeweiligen Verfassungswirklichkeit demokratisch verfasster Länder gegebene Verhältnis von Markt, Parlamentarismus, Sozialstaatlichkeit und den darin enthaltenen Chancen zu einer lebendigen Demokratie ist vielmehr von Faktoren abhängig, die über bloße Verfahrensregeln hinausweisen von der politischen Kultur der Öffentlichkeit und von dem Bedürfnis der Bürger, in Freiheit und Frieden leben zu wollen. 1042 Auf der anderen Seite sollte in aller Trivialität die Geschichte der US Verfassung und ihre Popularität nach noch 215 Jahren den Europäern Mut machen, visionär zu sein und in der Verfassungsdiskussion langfristig zu denken.

Dazu gehört neben Geduld Kompromissfähigkeit. Die langfristige Dynamik einer Verfassung auch eines Verfassungsvertrages sollte nicht unterschätzt werden: können Ziele heute nicht erreicht werden, so muss das nicht das Ende eines großen Verfassungs- und Integrationskonzeptes bedeuten. Nichts spricht dagegen, dass die Verfassung Europas zu einem späteren Zeitpunkt noch verändert wird und verändert werden kann. Im Einzelnen sei an den "Great Compromise" erinnert: oft ist der "langfristige Nutzen eines Kompromisses zugunsten der Mitglieder einer Gemeinschaft viel größer als der kurzfristige Verlust an Macht und Einfluss auf Seiten der Stärkeren" 1043 In der Frage der Grundrechte sind die Europäer den Amerikanern im Zeitpunkt des Verfassunggebungsprozess voraus sie wurden bereits beschlossen. Eine weitere Ursache für die Verankerung der US Verfassung im Bewusstsein der Öffentlichkeit war die andauernde Rezeption des Verfassunggebungprozesses beginnend mit der öffentlichen Diskussion der Verfassungsfrage durch die Federalists. Dies sollte europäische Verantwortungsträger animieren, noch stärker in die Öffentlichkeit zu treten als dies etwa en gros durch die Konventsmitglieder geschah und für ein höheres Maß an Transparenz aller europäischen Institutionen einzutreten. Im Hinblick auf die EU Erweiterung sollte zudem gewährleistet werden, dass sich aufgrund der Größe der Union nicht die Perspektivlosigkeit eines 2-Parteiensystems einstellt wie es in den USA der Fall war. Die Gefahr ist allerdings evident, dass viele der Parteien, die heute im Europäischen Parlament tätig sind, durch die Vielfalt ihrer Werte und Programmatiken zu regionalen Splittergruppen degradiert werden und langfristig an Bedeutung verlieren. Gerade hier zeigt sich letztlich die Tragfähigkeit des Modells der europäischen "Einheit in Vielfalt". Zur Erhaltung der Handlungsfähigkeit und des dynamischen Motors Europas mit seinem komplexen Institutionengefüge sollte Europa mit einem lernenden Blick über den Atlantik an der Verbesserung seiner Implementationsprozesse arbeiten, also seine Fähigkeit verbessern, Entscheidungen schnell durchzuführen, insbesondere mit Nachdruck die Herstellung außen- und sicherheitspolitischer Handlungsfähigkeit entsprechend eines der Leitmotive der Federalist Papers betreiben.

Die vielleicht wichtigste Lehre ist, nicht von der Verfassung als absoluter und einziger Quelle einer stabilen Demokratie bzw. einer stabilen Ordnung der verfassten Einheit auszugehen. Das in der jeweiligen Verfassungswirklichkeit demokratisch verfasster Länder gegebene Verhältnis von Markt, Parlamentarismus, Sozialstaatlichkeit und den darin enthaltenen Chancen zu einer lebendigen Demokratie ist vielmehr von Faktoren abhängig, die über bloße Verfahrensregeln hinausweisen: von der politischen Kultur, der Öffentlichkeit und von dem Bedürfnis der Bürger, in Freiheit unter ihresgleichen leben zu wollen (vgl. Dahl, S.3). Auf der anderen Seite sollte die Geschichte der US Verfassung und ihre Popularität nach noch 215 Jahren den Europäern Mut machen, visionär zu sein und in der Verfassungsdiskussion langfristig zu denken.

Dazu gehört auch Geduld und als Kehrseite der Medaille Kompromissfähigkeit. Die langfristige Dynamik der Verfassung sollte nicht unterschätzt werden: können Ziele heute nicht erreicht werden, so muss das nicht das Ende eines großen Verfassungs- und Integrationskonzeptes bedeuten. Nichts spricht dagegen, dass die Verfassung Europas zu einem späteren Zeitpunkt noch verändert wird und verändert werden kann. Im Einzelnen sei an den "Great Compromise" erinnert: oft ist der "langfristige Nutzen eines Kompromisses zugunsten der schwächeren Mitglieder einer Gemeinschaft viel größer, als der kurzfristige Verlust an Macht und Einfluss auf Seiten der Stärkeren" (Burghardt). In der Frage der Grundrechte sind die Europäer den Amerikanern voraus: sie wurden bereits beschlossen. Ihre unmittelbare Wirkung auf den einzelnen Bürger kann, so an prominenter Stelle eingebaut, der Verfassung zu einem Mehr an Popularität verhelfen. Eine zweite Ursache in den USA war dafür die öffentliche Diskussion der Verfassungsfrage durch die Federalists. Dies soll die Konventsmitglieder animieren noch stärker selbst in die Öffentlichkeit zu treten und für ein höheres Maß an Transparenz aller europäischen Institutionen einzutreten. Im Hinblick auf die EU Erweiterung sollte zudem gewährleistet werden, dass sich aufgrund der Größe der Union nicht die Perspektivlosigkeit eines 2-Parteiensystems einstellt, wie es in den USA der Fall war. Die Gefahr ist, dass viele der Parteien, die heute im Europa-Parlament tätig sind, durch die Vielfalt ihrer Werte und Programmatiken zu regionalen Splittergruppen degradiert werden und langfristig an Bedeutung verlieren. Gerade hier zeigt sich ja das Modell der europäischen "Einheit in Vielfalt". Dieses Modell darf in der Debatte um eine zukünftige europäische Identität und Wertegemeinschaft nicht aus den Augen verloren werden! Zur Erhaltung der Handlungsfähigkeit und des dynamischen Motors Europas mit seinem komplexen Institutionengefüge sollte Europa mit einem lernenden Blick über den Atlantik an der Verbesserung seiner Implementationsprozesse arbeiten, also seine Fähigkeit, Entscheidungen schnell durchzuführen, verbessern. Letztlich steht die Entscheidung, ob Europa auch weltweit einen Beitrag für Stabilität, Sicherheit und Frieden zu leisten gewillt ist. Dazu bedarf es, entsprechend einer der Leitmotive der Federalist Papers, der Herstellung außenpolitischer Handlungsfähigkeit.

Übernommen aus
Seminararbeit des Politologie-Studenten Daniel Pentzlin,
Hausarbeit: Die Diskussion über den zukünftigen konstitutionellen Rahmen der EU aus dem Blickwinkel der Verfassungsgeschichte der USA
In: Proseminar zur Einführung für Studienanfänger
Link: userpage.fu-berlin.de/~diloeba/ZBhausarbeitUNBEKANNT.doc

[Kopie im Internetarchiv Archive.org] Die Hausarbeit wurde im Wintersemester 2002/3 von dem Studenten der FU Berlin Daniel Pentzlin für das Proseminar zur Einführung für Studienanfänger "The Federalist Papers" erstellt, und im Juli 2003 von Prof. Dr. Dieter Löcherbach als gelungenes Beispiel einer Hausarbeit anonymisiert ins Internet gestellt.


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