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Zum Zweiten lohnt ein Blick auf das Dilemma, das durch das Verfassungsvertrags-Verfahren an sich entstanden ist. Letztlich handelt es sich um Verhandlungen zwischen Nationalstaaten und ihren Regierungen, für die als formale (und „projektgefährdende“) Anforderung die Herstellung von Einstimmigkeit besteht. Der Konvent zur Zukunft der Europäischen Union selbst hat eine der wichtigsten Kriterien der Amerikaner für die Herstellung der vollständigen Verfassungsmäßigkeit einer Verfassung erfüllt. Er traf sich ursprünglich als unabhängiges Gremium, das keine anderweitigen Zuständigkeiten oder Verpflichtungen hatte und theoretisch frei und ohne Rücksichtnahme auf einengende politische Loyalitäten bestimmen konnte, wie die politische Zukunft am besten gestaltet werden sollte. Ab diesem Zeitpunkt aber unterlag der weitere Prozess den Manipulationsversuchen der Regierungen der Mitgliedstaaten, und die Rolle der europäischen Völker bei der Annahme der Verfassung versank zunächst in Ungewissheit. | In the second place, consider the dilemma of the constitution-making process itself. It remains, in essence, a negotiation among nation-states and their governments, with a formal requirement for unanimity that, in theory, places the entire project in jeopardy. The European convention, by itself, satisfied one of the basic American criteria for making a constitution fully constitutional. It met and deliberated as an independent body, with no other responsibilities or obligations, theoretically free to determine what was best for the future polity without considering narrow political loyalties. But the process as it goes forward from this point remains subject to the manipulation of the member governments, and the role of the European peoples in its approval remains uncertain. |
Die Unterschiede zwischen der revolutionären Situation der Amerikaner im 18. Jahrhundert und der Situation, der sich Europa heute gegenüber sieht, sind grundsätzlicher Natur. Die amerikanische Verfassungsbewegung war in ihren Ursprüngen und Zielen durch und durch revolutionär: revolutionär in ihrer Zurückweisung des britischen Autoritätsanspruchs im Jahr 1776, revolutionär in ihrer Bereitschaft zur Schaffung republikanischer Regierungen in den einzelnen Staaten und selbst dann noch bewusst revolutionär, als die Verfassungsväter versuchten, die Lehren, die sie aus der Unabhängigkeit gezogen hatten, auf das Problem der Bildung einer nationalen Regierung zu übertragen. Die Begeisterung der Europäer für die Revolution im eigentlichen Sinne war gewissermaßen mit dem „annus mirabilis“ 1989 vorüber, genau zweihundert Jahre nach ihrer Geburt in Paris. Zudem hat das Projekt der europäischen Integration1041 stets den Eindruck vermittelt, eher die Koordination unter den Staaten verbessern denn die eigentliche politische Integration erreichen zu wollen. Der rhetorische Reiz, der hinter der Tatsache steckt, dass man diesen neuen Schritt im Integrationsprozess als „Verfassung“ bezeichnet, hat ihren eigentlich graduellen Charakter nur abzuschwächen, aber nicht zu ändern vermocht. | ... The underlying differences between the revolutionary condition of the American in the 1780s and the situation of contemporary Europe work against any serious effort to answer the first question. American constitutionalism was thoroughly revolutionary in its origins and ambitions: revolutionary in its rejection of British authority in 1776, revolutionary in its willingness to establish republican governments in the individual states, and still self-consciously revolutionary when the framers tried to apply the lessons learned since independence to the problem of national government. European enthusiasm for revolution ended conclusively in 1989, exactly two centuries after its Parisian birth. Moreover, the project of European integration has always been more an exercise in improving coordination than in achieving genuine political integration. The rhetorical appeal of calling this latest step in the process a constitution has only modified, not altered, its essential gradual character. |
Übernommen aus: Jack Rakove, Europe's Floundering Fathers. Foreign Policy No. 138 (Sep. - Oct., 2003), pp. 28-38 Link: JSTOR: http://www.jstor.org/pss/3183653 Dokumentiert in: |
Anmerkungen
Zu Guttenberg zitiert oder erwähnt Rakove auf den Seiten 367-369 nirgends. Er wird lediglich auf Seite 366 für einen einzelnen Kommentar in einem deutlich anderen Zusammenhang zitiert.
Mindestens ab Seite 363 (letzter Absatz) bis Seite 369 oben (Ende der obigen Passage) besteht zu Guttenbergs Dissertation praktisch ausschließlich aus ungekennzeichneten Übersetzungen von Rakoves Artikel, s. Seite 363-364, Seite 364-365, Seite 365-366, Seite 366 und Seite 367 ((bis unmittelbar vor obige Passage).
Eine Ausnahme bildet Fußnote 1041 auf S. 368, die jedoch (wenngleich kein ebenso gravierendes Plagiat) auch stark von einer anderen, nicht zitierten Quelle inspiriert scheint:
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„Es gibt keine Hoffnung für Europa ohne Integration.“ (J.F.Dulles, Memo of Discussion at the 159th Meeting of the National Security Council, 13.8.1953, in: FRUS 1952–1954, Bd.VII, 1, S.502.) Diese Einschätzung kursierte in den Administrationen der amerikanischen Präsidenten Truman und Eisenhower von 1945 bis 1961. Erste Ansätze der Europäer, das traditionelle System der Nationalstaaten zu überwinden, fanden nachhaltigen positiven Widerhall in den Vereinigten Staaten. | „Es gibt keine Hoffnung für Europa ohne Integration.“2 So die Einschätzung der Truman- und Eisenhower-Administrationen (1945 – 1961) zur Zukunft Europas. Weißes Haus und State Department unterstützten entschieden alle Ansätze der Europäer, das traditionelle Nationalstaatensystem zu überwinden.
... 2 John F. Dulles: Memo of Discussion at the 159th Meeting of the National Security Council, 13.8.1953, in: FRUS 1952 –1954, Bd.VII,1, S.502. |
Übernommen aus: Beate Neuss: Der „gütige Hegemon“ und Europa. Die Rolle der USA bei der europäischen Einigung. Politische Studien Sonderheft 4/2000 "Die USA und Europa - Die atlantische Gemeinschaft im Spannungsfeld neuer Herausforderungen", Hanns-Seidel-Stiftung eV Link: http://www.hss.de/fileadmin/migration/downloads/politische_studien_sonderheft_4_2000.pdf Dokumentiert in: |