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Zudem: die USA haben mit dem Präsidenten einen Akteur, der mit einer Stimme spricht und über ein Entscheidungsinstrumentarium voll verfügt. Entscheidungen herbeizuführen ist auf beiden Seiten des Atlantiks langwierig, bei der Ausführung sind die USA indessen der Europäischen Union weit voraus. Dies ergibt sich nicht zwingend aus der Verfassung selbst, nach der dem Präsidenten, indirekt gewählt, kein umfassendes Machtmonopol zugedacht war, sondern ist ein Ergebnis der Verfassungsentwicklung. Der Gedanke, ob Europa mit einer vergleichbaren Exekutivspitze zu versehen sein könnte, ohne dass dabei die Frage der Direktlegitimation unbedingt im Vordergrund stehen müsste, bleibt auch nach dem vorläufigen Scheitern des Verfassungsvertrages aktuell. Zweitens ist der Kongress kein Parlament, das die Exekutive wählt und stützt, sondern ein eigenes Machtzentrum, mit dem das Weiße Haus ständig verhandeln muss. [1017]

Ein interessanter transatlantischer Vergleich offenbart sich im Bereich institutioneller Fortentwicklungen. Als Beispiel dürfen hierbei das erst 1913 durch den Federal Reserve Act errichtete Federal Reserve System und das Europäische Zentralbank(EZB) – System dienen. [1018] Die heute mit globaler Wirkkraft versehene Währung "Dollar" ist nicht, um mit R. Schuman zu sprechen "auf einen Schlag" entstanden. Zwar hatten die USA seit der Gründung eine "gemeinsame" Währung. Selbige bestand jedoch noch bis Ende des Bürgerkriegs aus etwa 10 000 unterschiedlichen Banknoten. Erst im Jahre 1914 wurden sie durch "Federal Reserve Notes" den "einheitlichen" Dollar ersetzt. Ebenso gibt es strukturelle Ähnlichkeiten zwischen der Federal Reserve und dem EZB System. Das "Board" besteht aus sieben Mitgliedern (das EZB Direktorium aus sechs) und zwölf Vertretern regionaler Distrikte (auch die EZB zählt gegenwärtig in ihrem Erweiterten Rat zwölf stimmberechtigte nationale Zentralbankpräsidenten), wobei der Präsident der "New York Fed" "geborener" Stellvertreter des "Fed Chairman" und permanent stimmberechtigt ist, während durch ein Rotationsverfahren nur vier weitere der zwölf regionalenVertreter für jeweils ein Jahr ein volles Stimmrecht haben. Der wesentliche Unterschied in diesem Kontext zwischen den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union ist allerdings verfassungsgeschichtlicher Natur, während die monetären Zwänge erst 126 Jahre nach der Verfassungsgebung zur Gründung des Zentralen Währungssystems der USA führten, hat sich die Europäische Union eine "einheitliche" Währung und ein voll strukturiertes Zentralbanksystem zugelegt, bevor der Prozess der Verfassungsgebung im eigentlichen Sinne überhaupt eingesetzt hat.

Zwei große Unterschiede: die USA haben mit dem Präsidenten einen Akteur, der mit einer Stimme spricht und über ein Entscheidungsinstrumentarium voll verfügt. Entscheidungen herbeizuführen ist langwierig auf beiden Seiten; bei der Ausführung sind die USA indessen der Europäischen Union weit voraus. Dies ergibt sich nicht zwingend aus der Verfassung selbst, nach der dem Präsidenten, indirekt gewählt, kein umfassendes Machtmonopol zugedacht war, sondern ist ein Ergebnis der Verfassungsentwicklung. Unser Konvent sollte sich deshalb zur Aufgabe machen, Europa mit einer vergleichbaren Exekutivspitze zu versehen, ohne daß dabei die Frage der Direktlegitimation unbedingt im Vordergrund stehen müßte. Zweitens ist der Kongress kein Parlament, das die Exekutive wählt und stützt, sondern ein eigenes Machtzentrum, mit dem das Weiße Haus ständig verhandeln muß. [...] Ein interessantes Beispiel post-1787er institutioneller Fortentwicklungen ist die erst 1913 errichtete Federal Reserve. Auch der heute mächtige Dollar ist nicht, um mit Robert Schuman zu sprechen, auf einen Schlag entstanden. Zwar hatten die USA seit der Gründung eine "gemeinsame Währung. Selbige bestand indessen noch bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts, d.h. bis Ende des Bürgerkriegs, aus um die 10.000 unterschiedlichen Banknoten. Erst 1914 wurden sie durch "Federal Reserve Notes", den "einheitlichen" Dollar, ersetzt. Auch die Struktur der "Fed" hat Ähnlichkeiten mit dem EZB System: das "Board" besteht aus 7 Mitgliedern (EZB Direktorium: 6) und 12 Vertretern regionaler Distrikte (auch die EZB zählt gegenwärtig in ihrem Erweiterten Rat 12 stimmberechtigte nationale Zentralbankpräsidenten), wobei der Präsident der New York Fed "geborener" Stellvertreter des Fed Chairman und permanent stimmberechtigt ist, während durch ein Rotationsverfahren nur 4 weitere der 12 regionalen Vertreter für jeweils 1 Jahr ein volles Stimmrecht haben. Der wesentliche verfassungsgeschichtliche Unterschied zwischen USA und EU: während die monetären Zwänge erst 126 Jahre nach der Verfassungsgebung zur Gründung des Zentralen Währungssystems der USA führten, hat sich die EU eine "einheitliche" Währung und ein voll strukturiertes Zentralbanksystem zugelegt, bevor der Prozess der Verfassungsgebung im eigentlichen Sinne überhaupt eingesetzt hat.

Übernommen aus
Günter Burghardt,
Die Europäische Verfassungsentwicklung aus dem Blickwinkel der USA. Vortrag an der Humboldt-Universität zu Berlin (FCE 4/02), S. 4 f., S. 7 f.
In:
Link: http://www.whi-berlin.de/documents/burghardt.pdf

Seiten 4f, 7f. Fußnote 1017 enthält noch eine längere Textstelle aus Burghardt. Erst Fußnote 1018 enthält einen Verweis auf Burghardt. Mehr dazu hier: http://de.guttenplag.wikia.com/wiki/Seite_355.


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