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[Für] Cappelletti drücken Verfassungen die Positivierung höherer Werte aus, und
Verfassungsgerichtsbarkeit sei die Methode zur Durchsetzung dieser Werte [841].
Dieser normative Streit muss an dieser Stelle nicht gelöst werden, unabhängig
davon, dass er wohl kaum plausibel auflösbar ist. [842]. [sic, die Punkte stehen wirklich doppelt da] Entscheidend ist, dass diese Debatte - mit annähernd den gleichen Argumenten auf beiden Seiten - überall
dort auftreten wird, wo die Verfassungsgerichtsbarkeit eingeführt wird und sich
gegenüber der Politik emanzipiert. Auf der einen Seite steht dabei typischerweise
die Ideologie der „Volkssouveränität", die verfassungsgerichtliche Beschränkungen
des Mehrheitswillens als „undemokratisch" verwirft. Auf der anderen Seite
offenbart sich der „Konstitutionalismus", welcher die Bindung der Politik an eine
Verfassung als Eigenwert begreift und den Mehrheitswillen diesen Bindungen
unterordnet. Der „Legalismus" steht wohl zwischen diesen Prinzipien. Er verweist
zwar auf die Herrschaft des Rechts über die Politik - und damit auf den „Rechtsstaat",
ist aber weniger mit einer starken Verfassungsgerichtsbarkeit, als eher mit
dem gesetzgebenden Parlament verbunden.

c) Übergreifende Funktionen und Kompetenzen der
Verfassungsgerichts barkeit - Richtwerte für den EuGH?

Gerade im Hinblick auf eine Überprüfung der verfassungsgerichtlichen Elemente
des EuGH sollen auch übergreifend kennzeichnende Funktionen und Kompetenzen
der Verfassungsgerichtsbarkeit wenigstens angerissen werden, wobei
bereits hier festgestellt werden darf, dass es bei den Kompetenzen und Funktionen
durchaus zu Verschränkungen kommen kann, was auf dem Umstand beruht, dass
beide unmittelbar einander zu bedingen wissen
. Wie anders sollte beispielsweise
die Funktion der Wahrung der Gewaltenbalance ohne die Kompetenz über Organstreitigkeiten
aufrecht zu erhalten sein? Oder eine wirkungsvolle, evolutive
Grundrechtssicherung ohne wenigstens eine dem Verfassungsbeschwerdeverfahren
ähnliche Kompetenz herstellbar sein?
841 M. Cappelletti (1989), S. 118, 120. Freilich ließe sich pragmatisch argumentieren,
dass es schlicht sinnvoll sei, eine Instanz zu schaffen, die auf juristischem Wege politische
Konflikte letztendlich entscheidet.
Dies setzt aber voraus, dass man die Vorherrschaft des
Rechts anerkennt.
842 Einiges mag dafür sprechen, die Institution des Verfassungsgerichts als „Dritte
Kammer" des legislativen Prozesses zu begreifen (vgl. A. Stone, The Birth of Judicial
Politics in France, 1992, S. 209 ff.). Wie bereits der „Schöpfer" des europäischen Modells
der Verfassungsgerichtsbarkeit, H. Kelsen, festgestellt hat, wird ein Verfassungsgericht
unvermeidlich legislativ tätig.