Dissertation
Die Debatte über die gemeinsame Wertebasis der Europäischen Union erreichte im ersten Halbjahr 2000 unter dem Vorzeichen der Wahl der rechtspopulistischen FPÖ in Österreich ihren (unrühmlichen) Höhepunkt. Im Zusammenhang mit den juristischen Problemen, auf welche die Sanktionen der Europäischen Union gegen Österreich stießen, forderten viele Politiker geeignetem Mechanismen, bei möglichen Verstößen gegen Grundrechte auch schon vorbeugend tätig zu werden. Vor diesem Hintergrund verlagerte sich die Diskussion auf den Gehalt und die Verbindlichkeit der Grundrechtscharta.
Hier zeichneten sich zwei Positionen ab:
Die Minimalisten plädierten für die Unverbindlichkeit der Charta (dies forderten vor allem die Briten und Skandinavier), die Beschränkung auf klassische Abwehrrechte und gegen die Aufnahme sozialer Anspruchsrechte. Die konservativen Parteien und Wirtschaftsverbände fürchteten, dass die Aufnahme dieser Rechte zu einer Kompetenzausweitung der Europäischen Union führen könnte. Für den maximalistischen Ansatz, weicher neben einem umfassenderen Katalog vor allem die Verbindlichkeit und Einklagbarkeit der Rechte als ersten Schritt zu einer Verfassung einforderte, setzten sich Sozialdemokraten und die Grünen, das
Europäische Parlament und die Kommission ein. Auf dem Gipfel von Feira am 19. und 20. Juni 2000 entschloss der Europäische Rat sich dann aber — gegen den Willen von Deutschland und Frankreich — unter dem Einfluss der „Minimalisten" für die Unverbindlichkeit der Charta.
Original: Sonja Volkmann-Schluck, Die Debatte um eine europäische Verfassung, München 2001, S. 27f.
Die Debatte über die gemeinsame Wertebasis der EU erreichte im ersten Halbjahr 2000 unter dem Vorzeichen der Wahl der rechtspopulistischen FPÖ in Österreich ihren Höhepunkt. Im Zusammenhang mit den juristischen Problemen, auf welche die Sanktionen der EU gegen
Österreich stießen, forderten viele Politiker geeignetere Mechanismen, bei möglichen Verstößen
gegen Grundrechte auch schon vorbeugend tätig zu werden. Vor diesem Hintergrund verlagerte sich die Diskussion auf den Gehalt und die Verbindlichkeit der Grundrechtscharta.
Hier zeichneten sich zwei Positionen ab. Die Minimalisten plädierten für die Unverbindlichkeit der Charta (dies forderten vor allem die Briten und Skandinavier), die Beschränkung auf klassische Abwehrrechte und gegen die Aufnahme sozialer Anspruchsrechte. Die konservativen Parteien und Wirtschaftsverbände fürchteten, dass die Aufnahme dieser Rechte zu einer Kompetenzausweitung der EU führen könnte.79 Für den maximalistischen Ansatz, welcher neben einem umfassenderen Katalog vor allem die Verbindlichkeit und Einklagbarkeit der Rechte als
ersten Schritt zu einer Verfassung forderte, setzten sich Sozialdemokraten und die Grünen, das EP und die Kommission ein. Auf dem Gipfel von Feira am 19. und 20. Juni 2000 entschloss der Europäische Rat sich dann aber – gegen den Willen von Deutschland und Frankreich – unter dem Einfluss der „Minimalisten“ für die Unverbindlichkeit der Charta.