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Bereits im November 1923 hatte R. N. Graf Coudenhove-Kalergi, geboren 1894 in Tokyo als Sohn eines k. u. k. Diplomaten und einer Japanerin, ein schmales Buch veröffentlicht114, in dem er seine Neigung, in Erdteilen zu denken und die Welt nach seinem persönlichen Ermessen zu formen, erstmals einer größeren Öffentlichkeit (...)

[Seite 54] (...) verriet. Der Titel "Pan-Europa" stand für ein Programm mit weit reichenden Zielen: die politische und wirtschaftliche Integration des Kontinents, die Schaffung gemeinsamer Institutionen in einer gemeinsamen Kapitale, eine gemeinsame Währung und Armee, schließlich die Verabschiedung einer Verfassung für die Vereinigten Staaten von Europa.

"Dieses Buch ist bestimmt, eine große politische Bewegung zu wecken, die in allen Völkern Europas schlummert", prophezeite Coudenhove-Kalergi im Vor- wort115, und die europäische Integration wurde für den gerade 29-jährigen Ari- stokraten zur Lebensaufgabe: "Durch Agitation in Wort und Schrift soll die europäische Frage als die Lebensfrage von Millionen Menschen von der öffentli- chen Meinung aller Völker aufgerollt werden, bis jeder Europäer sich gezwungen sieht, zu ihr Stellung zu nehmen." 116

Im Frühjahr 1924 gründete er in Wien die Paneuropa-Union 117, eine - nach heutigem Sprachgebrauch - Nichtregierungsorganisation, welche zunächst die Öffentlichkeit mobilisieren sollte.

Unter maßgeblicher Beteiligung W. Heiles formierte sich nun innerhalb der Friedens- und Völkerbundbewegung eine Gegenströmung. Als Antwort auf die Gründung der Union des Grafen hoben deutsche und französische Parlamentarier im Frühling 1924 ein "Komitee für die Interessengemeinschaft der europäischen Völker" aus der Taufe, später umbenannt in "Bund für Europäische Cooperation". Ähnlich wie die Paneuropa-Union verstand sich das Komitee als "pressure group" für Europa in den Parlamenten, Regierungskreisen und in der politischen Publizistik. Grundlegend war dabei die Orientierung am Völkerbund, der den institutionellen Rahmen für die europäische Integration darstellen sollte. Im Unterschied zur Paneuropa Union betrachteten die Mitglieder des Komitees Großbritannien als einen Teil Europas, dessen Einbeziehung als elementar galt. Ähnlich waren dagegen die langfristigen Ziele: eine weit reichende politische und wirtschaftliche Integration der Staaten Europas, die ihren Abschluss in der Schaffung supranationaler Institutionen, eines Binnenmarktes und einer gemeinsamen Währung finden sollte.

Damit standen sich seit 1924 zwei politische Organisationen gegenüber, die unterschiedliche Europa-Konzepte verfochten: europäische (...)

[Seite 55] (...) Integration innerhalb des Völkerbundes, unter Einbeziehung Großbritanniens und der UdSSR - oder Paneuropa als kontinentaleuropäisches Bündnis mit losen Verbindungen zur internationalen Staatengemeinschaft. (118) Gemeinsam war bei- (...)

[Fußnote 118] Unterschiedlich sah man auch die Modalitäten der Finanzierung: Der Bund für Europäische Cooperation konnte auf Subventionen der deutschen und französischen Regierungen zurückgreifen, die das Anliegen einer europäischen Verständigung unter dem Dach des Völkerbundes unterstützten. Dagegen suchte und fand Graf Coudenhove-Kalergi finanzielle Unterstützung in einem Kreis von Unternehmern und Bankiers, die sich unter der Leitung Robert Boschs zu einem Paneuropa-Förderkreis zusammenschlossen.

[Seite 56] (... bei-)den Organisationen die Überzeugung, dass Paris und Berlin Schrittmacher einer europäischen Annäherung sein mussten. (119)

Wenig später glaubte sich Coudenhove-Kalergi indes am Ziel. Am 5. September 1929 schlug der französische Außenminister (und zeitweilige Ministerpräsident) A. Briand der Völkerbund-Versammlung in Genf vor, die europäischen Staaten durch eine föderale Verbindung enger zusammenzuführen. Sein deutscher Amtskollege G. Stresemann lobte in einer Antwortrede die wirtschaftliche Seite der Idee, doch er verhehlte nicht die Skepsis des Realpolitikers gegenüber der Aussicht auf eine politische Integration Europas. (120) Dennoch - Briands Initiative setzte das Thema für einen Moment auf die Agenda der Weltpolitik. So geht aus einem Dossier der französischen Botschaft in Washington hervor, dass in der amerikanischen Öffentlichkeit der Europaplan Briands so ausführlich diskutiert wurde wie selten ein Thema der europäischen Politik. (121)

Doch Briands Auftritt kam zu spät. Deutlich lassen sich aus einem wenige Monate später nachgelegten Europa-Memorandum (122) die nationalen Interessen und Ängste Frankreichs herauslesen, insbesondere die Sorge um die sécurité - um die Sicherheit gegenüber einem inzwischen wieder unberechenbaren Nachbarn jenseits des Rheins. Das Memorandum fordert, die Zusammenarbeit der europäischen (...)

[Seite 57] (...) Staaten zu institutionalisieren, eine Europäische Konferenz auf Regierungsebene einzurichten sowie einen Ständigen Politischen Ausschuss als europäisches Exekutivinstrument. Überdies regt ein Zusatz an, die Grenzgarantien des Locarno-Paktes auf die osteuropäischen Staaten auszudehnen. Ein solches Ost-Locarno aber war der deutschen Außenpolitik nicht abzuringen, denn diese zielte trotz aller Verständigungsbereitschaft langfristig darauf an, das Reich wieder als Großmacht zu etablieren. So zeugt das Memorandum der französischen Regierung gleichermaßen von Briands Glauben an die Gemeinschaft Europas wie von der Hilflosigkeit einer Außenpolitik, die Deutschlands erneutem Griff nach der Weltmacht nur noch wenig entgegenzusetzen vermochte.

Drei Jahre zuvor, im November 1923, hatte Coudenhove-Kalergi, geboren 1894 in Tokyo als Sohn eines k. u. k. Diplomaten und einer Japanerin, ein schmales Buch veröffentlicht, in dem er seine Neigung, in Erdteilen zu denken und die Welt nach seinem persönlichen Ermessen formen zu wollen, erstmals einer größeren Öffentlichkeit verriet. Der Titel Pan-Europa stand für ein Programm mit weitreichenden Zielen: die politische und wirtschaftliche Integration des Kontinents, die Schaffung gemeinsamer Institutionen in einer gemeinsamen Kapitale, eine gemeinsame Währung und Armee, schließlich die Verabschiedung einer Verfassung für die Vereinigten Staaten von Europa.

"Dieses Buch ist bestimmt, eine große politische Bewegung zu wecken, die in allen Völkern Europas schlummert", prophezeite Coudenhove-Kalergi im Vorwort, und die europäische Integration wurde für den gerade 29-jährigen Aristokraten zu einer Lebensaufgabe, der er sich ganz und gar verschrieb: "Durch Agitation in Wort und Schrift soll die europäische Frage als die Lebensfrage von Millionen Menschen von der öffentlichen Meinung aller Völker aufgerollt werden, bis jeder Europäer sich gezwungen sieht, zu ihr Stellung zu nehmen."

Im Frühjahr 1924 gründete er in Wien die Paneuropa-Union, eine Nichtregierungsorganisation (wie man heute sagen würde), welche die Öffentlichkeit mobilisieren sollte. [...]

Unter maßgeblicher Beteiligung Wilhelm Heiles formierte sich nun innerhalb der Friedens- und Völkerbundbewegung eine Gegenströmung zu Paneuropa: Als Antwort auf die Gründung der Union des Grafen hoben deutsche und französische Parlamentarier im Frühling 1924 ein Komitee für die Interessengemeinschaft der europäischen Völker aus der Taufe, später umbenannt in Bund für Europäische Cooperation. Ähnlich wie die Paneuropa-Union verstand sich das Komitee als pressure group für Europa in den Parlamenten, Regierungskreisen und in der politischen Publizistik. Grundlegend war dabei die Orientierung am Völkerbund, der den institutionellen Rahmen für die europäische Integration darstellen sollte. Im Unterschied zur Paneuropa-Union betrachteten die Mitglieder des Komitees Großbritannien als einen Teil Europas, dessen Einbeziehung als elementar galt. Ähnlich waren dagegen die langfristigen Ziele: eine weitreichende politische und wirtschaftliche Integration der Staaten Europas, die ihren Abschluss in der Schaffung supranationaler Institutionen, eines Binnenmarktes und einer gemeinsamen Währung finden sollte.

Damit standen sich seit 1924 zwei politische Organisationen gegenüber, die unterschiedliche Europa-Konzepte verfochten: europäische (...)

(...) Integration innerhalb des Völkerbundes, unter Einbeziehung Großbritanniens und der UdSSR - oder Paneuropa als kontinentaleuropäisches Bündnis mit losen Verbindungen zur internationalen Staatengemeinschaft.

Unterschiedlich sah man auch die Modalitäten der Finanzierung: Der Bund für Europäische Cooperation konnte auf Subventionen der deutschen und französischen Regierungen zurückgreifen, die das Anliegen einer europäischen Verständigung unter dem Dach des Völkerbundes unterstützten. Dagegen suchte und fand Coudenhove-Kalergi finanzielle Unterstützung in einem Kreis von Unternehmern und Bankiers, die sich unter der Leitung Robert Boschs zu einem Paneuropa-Förderkreis zusammenschlossen. Gemeinsam war beiden (...)

(...) beiden Organisationen die Überzeugung, dass Paris und Berlin Schrittmacher einer europäischen Annäherung sein mussten.[...]

Nur ein Jahr später glaubte sich Coudenhove-Kalergi indes am Ziel. Am 5.September 1929 schlug Aristide Briand der Völkerbund-Versammlung in Genf vor, die europäischen Staaten durch eine föderale Verbindung enger zusammenzuführen. Sein deutscher Amtskollege Gustav Stresemann (gemeinsam hatten sie 1926 den Friedensnobelpreis erhalten) lobte in einer Antwortrede die wirtschaftliche Seite der Idee, doch er verhehlte nicht die Skepsis des Realpolitikers gegenüber der Aussicht auf eine politische Integration Europas. Dennoch - Briands Initiative setzte das Thema für einen Moment auf die Agenda der Weltpolitik. So geht aus einem Dossier der französischen Botschaft in Washington hervor, dass in der amerikanischen Öffentlichkeit der Europaplan Briands so ausführlich diskutiert wurde wie selten ein Thema der europäischen Politik.

Doch Briands Auftritt kam zu spät. Deutlich lassen sich aus einem wenige Monate später nachgelegten Europa-Memorandum die nationalen Interessen und Ängste Frankreichs herauslesen, insbesondere die Sorge um die sécurité - um die Sicherheit gegenüber einem inzwischen wieder unberechenbaren Nachbarn jenseits des Rheins. Das Memorandum fordert, die Zusammenarbeit der europäischen (...)

(...) Staaten zu institutionalisieren, eine Europäische Konferenz auf Regierungsebene einzurichten sowie einen Ständigen Politischen Ausschuss als europäisches Exekutivinstrument. Überdies regt ein Zusatz an, die Grenzgarantien des Locarno-Paktes auf die osteuropäischen Staaten auszudehnen. Ein solches Ost-Locarno aber war der deutschen Außenpolitik nicht abzuringen, denn diese zielte trotz aller Verständigungsbereitschaft langfristig darauf an, das Reich wieder als Großmacht zu etablieren. So zeugt das Memorandum der französischen Regierung gleichermaßen von Briands Glauben an die Gemeinschaft Europas wie von der Hilflosigkeit einer Außenpolitik, die Deutschlands erneutem Griff nach der Weltmacht nur noch wenig entgegenzusetzen vermochte.

Übernommen aus
Oliver Burgard,
Europa von oben
In: DIE ZEIT 03/2000
Link: http://www.zeit.de/2000/03/Europa_von_oben

Farbliche Hervorhebung der Unterschiede auf Seite 53/54

Anmerkungen Ein besonders dreistes, fünf Seiten langes Plagiat des in der Zeit erschienen Artikels von Oliver Burgard. Keine der Fußnoten verweist auf Burgard. Auch im Literaturverzeichnis ist dieser nicht aufgeführt. Die Fußnoten beziehen sich zum einen auf Coudenhove-Kalergis Buch, zum anderen setzt der Autor dort das nicht gekennzeichnete Zitieren des Zeit-Artikels in fast wörtlicher Übernahme des paraphrasierten Textes fort.


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