GuttenPlag Wiki
K (()
K (Schützte „PK-Protokoll-20110623“: Archiv ([edit=sysop] (unbeschränkt) [move=sysop] (unbeschränkt)))
 
(kein Unterschied)

Aktuelle Version vom 24. Juni 2011, 00:23 Uhr

1. Was hatte Avatar bei der Preisverleihung unter dem Arm?
Einen Ausdruck aller beteiligten Autoren! 900 angemeldete Benutzer, mit den anonymen über 20.000 Autoren. Das waren 526 DIN A4 Seiten!
2. Warum war GuttenPlag das einzige Projekt, was bei der Vorstellung mit Applaus bewertet wurde?
Ich glaube, dass es daran liegt, dass eine grosser Teil der Gesellschaft die Arbeit des Wikis als etwas sehr positives und neues (und unterstützenswertes) wahrgenommen hat. Die Causa Guttenberg wurde sehr emotional diskutiert.
3. Der GOA ist nicht dotiert, ist das ein Problem?
Nein, das schmälert die Ehre keineswegs und erspart uns die Diskussion, was denn nun mit dem Geld passieren solle. Ziel des Wikis war die freiwillige, ehrenamtliche Dokumentation dieser Dissertation, kein Ruhm, Geldpreis oder eine Auszeichnung.
4. Haben Sie noch die realen Namen sowie Funktionen der Nutzer PlagDoc und Avatar?
Der Gründer des Wikis (PlagDoc) möchte anonym bleiben. Avatar ist Tim Bartel und ist die Person, die in Deutschland für Wikia verantwortlich ist.
5. Wie war die Diskussion im Vorfeld über die Preisvergabe - man hätte ja auch kollektiv auftreten können, von mir aus auch spektakulär mit "Sido-Maske" ;-)
Das kann ziemlich albern wirken. 20.000 Leute mit Maske? Keine Teilmenge des Projekts kann es adäquat repräsentieren, so dass wir auf so etwas verzichtet haben. Es gab ein klares Votum der Mehrzahl der Beteiligten, daß Avatar das Wiki am besten vertreten kann, nicht einzelne Aktive.
6. Denken Sie durch Wikis und die Macht der Masse werden in Zukunft weitere Betrügereien aufgedeckt werden?
Das GuttenPlag Wiki war das erste Wiki seiner Art, das in großem Umfang eine wissenschaftliche Arbeit auf Plagiate untersucht hat. Wie die bisherigen weiteren im VroniPlag Wiki behandelten Fälle (Koch-Mehrin, Chatzimarkakis, ...) zeigen, gibt es da durchaus noch einige weitere Menschen, die Wissenschaftsbetrug begangen haben.
GuttenPlag ist in PlagDocs Augen ein Projekt mit einem klaren Ende. Was danach kommt, ist noch nicht ganz genau definiert. Aber es wird etwas kommen.
7. Wie feiert eine Online-Community einen solchen Preis?
Es haben sich zwar auch Mitwirkende schon real getroffen, aber die "Feier" fand vor allem im Chat und in den Kommentaren des Wikis statt.
8. Die Person des Preispaten Dieter Gorny war doch umstritten. Ist es nicht absurd, wenn gerade er den Spezial-Preis überreicht?
Der Symbolik sollte keine zu große Bedeutung beimessen. Wir haben viele absurde Dinge in den letzten Wochen und Monaten gesehen. Und der Preis und die geleistete Arbeit sind dadurch nicht geschmälert worden.
9. Wie kommen Abstimmungen zu Stande, in IRC oder mit ein Abstimmungstool?
Absprachen der aktiven Nutzer werden in der Regel im IRC (einem "Chat-Raum") getroffen.
10. Wollen Sie weitermachen, größer werden, wachsen, eine Institution werden?
Das GuttenPlag Wiki war das erste Wiki seiner Art, das in großem Umfang eine wissenschaftliche Arbeit auf Plagiate untersucht hat. Wie die bisherigen weiteren im VroniPlag Wiki behandelten Fälle (Koch-Mehrin, Chatzimarkakis, ...) zeigen, gibt es da durchaus noch einige weitere Menschen, die Wissenschaftsbetrug begangen haben.
Es bleibt allerdings zu hoffen, dass die Anwendung von Wikis und anderen kollaborativen Plattformen in der Wissenschaft nicht auf (die Aufdeckung von) Betrügereien beschränkt bleibt.
Es ist immer schwierig, vorherzusagen, was 20.000 Leute als nächstes vorhaben
11. Was kommt als nächstes?
Wir lernen gerade aus den Erfahrungen mit GuttenPlag und verbessern Methodik und Tools. Wobei jeder nur für sich sprechen kann!
12. Was soll sich verbessern? Plagiatsjäger in persona werden nicht ersetzbar sein, aber soll es technisch leichter werden?
Eine mögliche Verbesserung wäre auch, auf den unsäglichen Terminus "Plagiatsjäger" zu verzichten. "Dokumentar" ist PlagDocs Lieblingsbegriff.
13. Ist bei VroniPlag ist die Motivation und sind die Teilnehmerzahlen viel geringer?
In VroniPlag konnten bereits Erfahrungen aus GuttenPlag einfließen. Ich würde nicht sagen, dass die Motivation geringer war. Es waren weniger Nutzer beteiligt.
Guttenberg war ein Fall, der im wahrsten Sinne des Wortes Maßstäbe gesetzt hat - es ist mir kein vergleichbarer Fall aus der Vergangenheit bekannt und ich bezweifle, dass wir in absehbarer Zukunft einen Fall mit diesem Ausmaß wieder sehen werden. Richtig ist auch, dass die Zahl der sehr aktiven Leute relativ klein ist. Aber die angestoßene Diskussion führt hoffentlich zu Änderungen, von denen wir jetzt schon erste Schritte bemerken - beispielsweise Stichprobentests in den Unis, aber auch ein frühes und besseres Heranführen von Erstsemestern an korrekte wissenschaftliche Zitierweisen.
14. Welche Reformen bei Promotionen fordern Sie von den deutschen Hochschulen, falls Sie Forderungen haben?
Es gibt eigentlich schon genug Regeln, diese müssten nur etwas verantwortungsbewusster angewendet werden. Forderungen sind nicht unsere Aufgabe, aber eine Empfehlung wäre, Dissertationen generell digital frei verfügbar zu machen.
15. Der Abschlussbericht auf GuttenPlag lässt ja seit Mai auf sich warten. Ein Beleg dafür, dass das Interesse an der detaillierten Aufarbeitung der Diss abebbt, sobald der oder die Verantwortliche die politischen Konsequenzen gezogen hat?
Nein. Der Nachweis ist hinreichend erbracht. Vielen Nutzern auf GuttenPlag ging es irgendwann auf den Senkel, mehr Zeit in die Diss von KTG zu investieren, als dieser es selbst gemacht hatte.
16. Tut Ihnen Herr zu Guttenberg manchmal leid? Er hätte doch Kanzler werden können...
Die Person zu Guttenberg stand nie im Mittelpunkt, sondern die Dissertation.
17. Die Organisationsaufgaben im Wiki gehen m.E. über die eines Dokumentars weit hinaus. Dokumentare rufen in meinen Augen auch nicht in der Uni an, um eine Untersuchung einzuleiten...
Für VroniPlag haben wir einen Standardablauf: bei 10% der Seiten mit Plagiaten wird der Name genannt, der Fall kommt auf die Hauptseite, und die Uni wird _informiert_. Ob sie dann eine Untersuchung einleiten, oder nicht, ist Sache der Universität.
18. War Ihnen die Person am Ende tatsächlich unwichtig? Ging es rein um den wissenschaftlichen Makel? Oder hat der Promi-Status die Sache schon extrem befeuert? Sinkt bei den "Jägern" die Motivation, sobald ein politischer Rücktritt erfolgt ist?
Das ist für die Sache nicht relevant. Aber was viele User befeuert hat, dürften seine unhaltbaren Aussagen zu seiner Dissertation gewesen sein. Viele der aktiven Nutzer haben sich natürlich über das Verhalten von Herrn zu Guttenberg und seine Reaktionen geärgert. So hat er bis heute - obwohl ihm die Prüfungskommission das Gegenteil bescheinigt hat, abgesehen von der umfassenden Dokumentation im GuttenPlag Wiki - nicht eingeräumt, dass er bewusst getäuscht hat.
19. Wundert Sie die unterschiedlichen Reaktionen? Zu Guttenberg hat wirklich alle Ämter aufgegeben und überlegt sogar, Bayern und Deutschland ganz zu verlassen, während eine Koch-Mehrin jetzt vollwertiges Mitglied im Forschungsausschuss geworden ist.
Gemeinsam haben sie alle, dass sich bisher keiner zu seinen Taten bekennen wollte. Dass Koch-Mehrin nach Ihrer Enttarnung noch im Forschungsausschuss aufsteigen kann, ist eine weitere Tragoedie, in ihrer Tragweite vielleicht schlimmer als die Plagiate selbst und auch die Causa Guttenberg (dieser war ja "nur" für die Uni der Bundeswehr zuständig).
20. Was erwidern Sie den Kritikern, die auch politische Motive hinter den Plagiatssuchen sehen und behaupten, es sei kein Zufall, dass Guttenberg, Koch-Mehrin, Chatzimarkakis etc. aus dem Unions/FDP-Lager stammen?
Es gab viele Vorwürfe, dass die Community parteipolitisch geprägt/motiviert wäre und sie sich nur Politiker aus dem konversativen Spektrum "vorknöpfen" würde. Dieser Vorwurf ist schlichtweg falsch. Es wurden Dissertationen von Politikern aus allen Lagern geprüft - aber bei FDP und CDU/CSU wurde man am häufigsten fündig. Das mag an der reinen statistischen Verteilung von Doktortiteln in den einzelnen Parteien liegen oder es mag eine ganze Reihe anderer Gründe dafür geben. Um diesem Vorwurf zu umgehen, hat die Community selbst (wohlgemerkt: alles Menschen, die ehrenamtlich in ihrer Freizeit diese Arbeit durchführen) eine "Prämie" von 500 Euro ausgelobt, für den ersten Fund einer plagiierten Dissertationen eines SPD/Grünen/Linken-Politikers.
Da sich eine Vielzahl von Nutzern am Wiki beteiligen, ist es möglich, dass es auch Nutzer gibt, die Motive haben, die nicht mit der Intention der Wiki-Gründer übereinstimmen. Das ist aufgrund der Ausrichtung und Vorgehensweise des Wikis aber nicht ausschlaggebend - das Wiki führt eine Textanalyse durch und dokumentiert wissenschaftliches Fehlverhalten. Ob ein Eintrag von einem SPD-Mitglied oder einem CDU-Mitglied, von einem 16-jährigen oder einem 60-jährigen, von einem Hartz IV-Empfänger oder von einem hochbezahlten Wissenschaftler durchgeführt wird. Am Schluss steht ein Beleg im Wiki, der für jeden nachprüfbar ist.
21. Gibt es ein konkretes Datum, wann der Abschlußbericht veröffentlicht werden soll? und warum gab es keine community updates mehr?
Mit dem Community Update wollte PlagDoc bis nach dem Grimme Online Award warten.
22. Was hat sich durch den Sturz KTs gesellschaftlich verändert?
Die Bedeutung von Transparenz ist wohl gestiegen und das Ansehen der deutschen Wissenschaft gesunken, aber es gibt da verschiedene Meinungen.
GuttenPlag war auch ein Proof-of-Concept-Projekt, das gezeigt hat, dass unter den richtigen Umständen auch ganz normale Bürger Probleme dokumentieren und dadurch auch gegen erheblichen Widerstand etwas bewegen können.
Im Ausland wird z.T. die Deutsche Wissenschaft jetzt schon dafür bewundert, diese Wikis "hervorgebracht" zu haben und sie ernst zu nehmen.
PlagDoc denkt, die Diskussion über Plagiate hat auch generell die Sensibilität gegenüber wissenschaftlichem Fehlverhalten erhöht.
Avatar glaubt es würde dem Ansehen der Politik und der betroffenen Person wirklich sehr dienlich sein, wenn jemand zu seinem Fehler stehen würde und sich entschuldigen würde.
23. Es ist schade, dass Anonymität notwendig ist, um die Dokumentation betreiben zu koennen.
Es macht besonders betroffen, dass Nutzer, die mit ihrem Namen zu ihrer Arbeit im GuttenPlag und VroniPlag Wiki stehen (was nicht notwendig ist, auch wenn es gerne von Politikern gefordert wird, die sich mit einem Plagiatsvorwurf konfrontiert sehen) sehr stark angegangen werden und teils anonyme Drohungen erhalten.
24. Seht ihr euch auch irgendwo als Teil oder "Hilfsmotor" des Journalismus? Die Redaktionen haben ja ziemlich von der Arbeit in den Wikis profitiert.
Das GuttenPlag ist ein hervorragendes Beispiel, wie sich "neue Medien" (das Wiki) und die "alten Medien" (Printpresse und deren Online-Ableger) hervorragend ergänzen.

Protokollant: WiseWoman

Avatars Vortrag auf dem Politcamp: http://www.slideshare.net/avataryt/politcamp-2011-plagiatewikis-kollaboratives-ministerstrzen-8223576

Avatars Folien: Erwischt! http://www.slideshare.net/avataryt/beim-plagiieren-erwischt-und-nun

Video der Preisverleihung auf http://www.pottblog.de/ bzw. http://www.youtube.com/watch?v=c6YVJ5VvPtY