von Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg
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Untersuchte Arbeit: Seite(n): 193, Zeilen: 1-9 |
Original: Seite(n): 23, Zeilen: 10-19 |
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Für Europa gilt, was B. Anderson über die Nationen gesagt hat: Es ist eine „imagined community“, besteht also, wenn es besteht, vor allem in den Köpfen der Menschen. [543] Möglicherweise, das wäre das zweite Ergebnis, ließe sich das analytische Instru- mentarium für eine Verfassungsgeschichte Europas verfeinern. Das oft genutzte Begriffspaar Rationalisierung und Modernisierung als Leitfaden einer europäi- schen Geschichte ist für sich alleine eine zu grobe und übrigens auch zu vieldeutige Kategorisierung, um zur Beschreibung einer Langen Dauer der abendländischen Zivilisation zu taugen. |
Für Europa gilt, was Benedict Anderson über die Nationen gesagt hat: Es ist eine imagined community, besteht also, wenn es besteht, vor allem in den Köpfen der Menschen. [32] Möglicherweise, das wäre das zweite Ergebnis, ließe sich das analytische Instrumentarium für eine Geschichte Europas verfeinern. Rationalisierung und Modernisierung als Leitfäden einer europäischen Geschichte sind für sich alleine zu grobe und übrigens auch zu vieldeutige Kategorien, um zur Beschreibung einer Langen Dauer der abendländischen Zivilisation zu taugen. |
Fragmentsichter: MoonofA (Sichtungsergebnis: Gut) |
Untersuchte Arbeit: Seite(n): 193, Zeilen: 09-15 |
Original: Seite(n): 23, Zeilen: 19-25 |
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Hilfreicher als ein lineares Fortschrittsmodell wäre ei- nes, das an jedem Zeitpunkt der Entwicklung auch die dazugehörige Reflexion über diese Entwicklung einbezöge: welche historischen Weltbilder liefern den Wahrnehmungs- und Urteilsrahmen, innerhalb dessen sich die Entwicklungs- schritte vollziehen? Welche kollektiven Erinnerungen, welche Vorbilder, welche Mythen, welche Metaphern, welche rückwärtsgewandten Utopien bilden die „Fo- lie“, auf deren Hintergrund der Prozess der Zivilisation abläuft? |
Hilfreicher als ein lineares Fortschrittsmodell wäre eins, das an jedem Zeitpunkt der Entwicklung auch die dazugehörige Reflexion über diese Entwicklung einbezöge: welche historischen Weltbilder liefern den Wahr- nehmungs- und Urteilsrahmen, innerhalb dessen sich die Entwicklungs- schritte vollziehen? Welche kollektiven Erinnerungen, welche Vorbilder, welche Mythen, welche Metaphern, welche rückwärtsgewandten Utopien bilden die Folie, auf deren Hintergrund der Prozeß der Zivilisation abläuft? |
Fragmentsichter: MoonofA (Sichtungsergebnis: Gut) |
Untersuchte Arbeit: Seite(n): 193, Zeilen: 15-19 |
Original: Seite(n): 23, Zeilen: 26-29 |
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Erst wenn der Zusammenhang zwischen Logos und Mythos, zwischen Zukunftsentwurf und Vergangenheitsbild hergestellt sein wird, kann man die lange Renaissance Europas, die Verwestlichung des Abendlandes angemessen beschreiben und damit der Verfassungsgeschichte einen tatsächlich würdigen Rahmen ermöglichen. |
Erst wenn wir den Zusammenhang zwischen Logos und Mythos, zwischen Zukunftsentwurf und Vergangenheitsbild hergestellt haben, können wir die lange Renaissance Europas, die Verwestlichung des Abendlandes angemessen beschreiben. |
Fragmentsichter: MoonofA (Sichtungsergebnis: Gut) |
Untersuchte Arbeit: Seite(n): 193, Zeilen: 20-26 |
Original: Seite(n): 24, Zeilen: 1-7 |
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Im übrigen wird – drittens und letztens – ersichtlich, dass es nicht ausreicht, einzelne Epochen der europäischen Geschichte jeweils für sich zu betrachten und zu analysieren. In jeden Zeitpunkt ist die ganze europäische Vorgeschichte mit eingeschlossen und muss jeweils mitgedacht werden, und zwar zugleich auf zwei Ebenen: Als Realgeschichte wie als mythisch vermittelte Vergangenheits- wahrnehmung, als welche sich Geschichte in dauernder Verwandlung ständig wiederholt.[544] |
Im übrigen wird - drittens und letztens - ersichtlich, daß es nicht ausreicht, einzelne Epochen der europäischen Geschichte jeweils für sich zu betrachten und zu analysieren. In jeden Zeitpunkt ist die ganze europäische Vorgeschichte mit eingeschlossen und muß jeweils mitgedacht werden, und zwar zugleich auf zwei Ebenen: Als Realgeschichte wie als mythisch vermittelte Vergangenheitswahrnehmung, als welche sich Geschichte in dauernder Verwandlung ständig wiederholt. |
Fragmentsichter: MoonofA (Sichtungsergebnis: Gut) |
Untersuchte Arbeit: Seite(n): 193, Zeilen: 26-28 |
Original: Seite(n): 24, Zeilen: 17-20 |
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Der tiefste Grund für den Aufstieg wie auch für die Gefährdung Europas liegt vielleicht in dieser immerwährenden Suche nach der verlorenen, der geahnten und erhofften aurea aetas. |
Der tiefste Grund für den Aufstieg wie auch für die Gefährdung Europas liegt vielleicht in dieser immerwährenden Suche nach der verlorenen, der geahnten und gehofften aurea aetas, die stets gleich hinter dem Hori- zont beginnt. |
Fragmentsichter: MoonofA (Sichtungsergebnis: Gut) |
Untersuchte Arbeit: Seite(n): 193, Zeilen: 101-102 |
Original: Seite(n): 23, Zeilen: 101-102 |
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[543] B. Anderson, Imagined Communities. Reflections on the Origin and Spread of Nationalism, 1983. |
[32] Benedict Anderson: Imagined Communities. Reflections on the Origin and Spread of Nationalism, London 1983. |
Fragmentsichter: MoonofA (Sichtungsergebnis: Gut) |
Untersuchte Arbeit: Seite(n): 193, Zeilen: 103-111 |
Original: Seite(n): 24, Zeilen: 7-14; 101-105 |
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544 Namentlich Letzteres spricht übrigens gegen das Verfahren namhafter Historiker, die Antike aus der europäischen Geschichte auszugrenzen und Europa irgendwann zwischen Spätantike und Hochmittelalter entstehen zu lassen, vgl. nur H. Pirenne, Geschichte Euro- pas. Von der Völkerwanderung bis zur Reformation, 1956; D. Gerhard, Das Abendland 800 –1800. Ursprung und Gegenbild unserer Zeit, 1981; F. Heer, Europäische Geistesge- schichte, 1953; A. Mirgeler, Revision der europäischen Geschichte, 1971. Tatsächlich reicht die Antike als historisch wirkende Kraft bis in unserer Gegenwart, ist also auch Neueste Geschichte, und zwar in erster Linie in Gestalt ihrer Verwandlungen, die sie im Laufe der Zeit in den Köpfen und Herzen der Menschen durchgemacht hat. |
Namentlich Letzteres spricht übrigens gegen das Verfahren namhafter Historiker, die Antike aus der europäischen Geschichte auszugrenzen und Europa irgendwann zwischen Spätantike und Hochmittelalter entstehen zu lassen (33). Tatsächlich reicht die Antike als hi- storisch wirkende Kraft bis in unserer Gegenwart, ist also auch Neueste Geschichte, und zwar in erster Linie in Gestalt ihrer Verwandlungen, die sie im Laufe der Zeit in den Köpfen und Herzen der Menschen durchge- macht hat. -- 33 Henri Pirenne: Geschichte Europas. Von der Völkerwanderung bis zur Reformation, Berlin/Frankfurt/M. 1956; Dietrich Gerhard: Das Abendland 800-1800. Ursprung und Gegenbild unserer Zeit, Freiburg/Würzburg 1981; Friedrich Heer: Europäische Geistesgeschichte, Stuttgart 1953; Geoffrey Barraclough: European Unity,siehe oben.; Albert Mirgeler: Revision der europäischen Geschichte, München 1971. |
Fragmentsichter: MoonofA (Sichtungsergebnis: Gut) |
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