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[Fn 828] Freilich handelt es sich auch um eine deutsche Debatte: der zentrale Einwand, der gegen die Verfassungsgerichtsbarkeit im Allgemeinen, insbesondere aber auch gegen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes erhoben wird, lautet, dass Politik im Gewand des Rechts betrieben werde, vgl. u. a. E. Benda, Das Bundesverfassungsgericht im Spannungsfeld von Recht und Politik, in: ZRP 1977, S. 1 ff., 4. Die Problematik ergibt sich aus den Kompetenzen des Bundesverfassungsgerichtes, das über Fragestellungen zu entscheiden hat, die von erheblichen politischem Einschlag sind. Die richterliche Stellung wird doppelt kritisiert, einmal im Zusammenhang mit den „geheimen“ Wahlen und dem enormen politischen Einfluss durch die politische Nominierung und des weiteren aus der politischen Entscheidungskraft der einzelnen Richter. Die Literatur versucht eine Trennung von Unparteilichkeit und Neutralität anzustellen und dabei wird klar, dass die Richter des Bundesverfassungsgerichtes zwar unparteiisch, aber nicht neutral bleiben sollten (dazu M. Kriele, Recht und Politik in der Verfassungsrechtsprechung, in: NJW 1976, S. 777 ff.). Dass ihre Entscheidungen durch die massive Beeinflussung im Zuge der juristischen Argumentation an politischer Macht verlieren, wird sogar durch Misstrauensverfahren nachgewiesen (vgl. EuGH, EuGRZ 1976, S. 11; EuGH, EuGRZ 1983, S. 500). Die Diskussion über die Möglichkeiten und Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit gegenüber anderen Verfassungsorganen wird auch in Deutschland oft unter dem Stichwort der political question doctrine geführt. Dabei werden die Möglichkeiten der Anwendung dieses aus dem amerikanischen Recht bekannten Prinzips analysiert, in Hinblick auf die Ablehnung von Entscheidungen mit hohen politischen Wert durch das Bundesverfassungsgericht. Die überwiegende Literatur hält diese Doktrin für unvereinbar mit der Verfassung der Bundesrepublik und lehnt ihre Anwendung durch das Bundesverfassungsgericht ab (S. etwa C. Rau, Selbst entwickelte Grenzen in der Rechtsprechung des United States Supreme Court und des BVerfG, 1996, S. 230; K. Chryssogonos, Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung, 1987, S. 175.; C. Landfried, Bundesverfassungsgericht und Gesetzgeber, 2. Aufl., 1996, S. 151.; J. Blüggel, Unvereinbarkeitserklärung statt Normkassation durch das Bundesverfassungsgericht, 1998, S. 177 ff.). Der Gedanke zur Entpolitisierung der Entscheidungen wird jedoch prinzipiell nicht für abwegig gehalten. Dennoch sind es nur wenige Stimmen in der Literatur, die eine Anwendung der Doktrin für möglich halten, ja [sogar dessen Anwendung durch das Bundesverfassungsgericht schon als vorhanden ansehen (so R. Dolzer, Verfassungskonkretisierung durch das Bundesverfassungsgericht und durch politische Verfassungsorgane, 1982, S. 29 ff. am Bsp. von EuGRZ 1983, 57 (70)).] |
E. Bundesverfassungsgericht im Spannungsfeld zwischen Recht und Politik Der zentrale Einwand, der gegen die Verfassungsgerichtsbarkeit im Allgemeinen, insbesondere aber gegen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes erhoben wird, lautet, dass Politik im Gewand des Rechts betrieben werde.[Fn 41] Die Problematik ergibt sich aus den Kompetenzen des Bundesverfassungsgerichtes, das über Fragestellungen zu entscheiden hat, die von erheblichen politischem Einschlag sind. Aus der Kontroverse zwischen Recht und Politik kristallisieren sich verschiedene einzelne Probleme. I. Politik durch „politische“ Richter Die richterliche Stellung wird doppelt kritisiert, einmal im Zusammenhang mit den „geheimen“ Wahlen und dem enormen politischen Einfluss durch die politische Nominierung und des weiteren aus der politischen Entscheidungskraft der einzelnen Richter. Die Literatur versucht eine Trennung von Unparteilichkeit und Neutralität anzustellen und dabei wird klar, dass die Richter des Bundesverfassungsgerichtes zwar unparteiisch, aber nicht neutral bleiben sollten.[Fn 42] Dass ihre Entscheidungen durch die massive Beeinflussung im Zuge der juristischen Argumentation an politischer Macht verlieren, wird sogar durch Misstrauensverfahren nachgewiesen.[Fn 43] II. Ausschluss der political question doctrine Die Diskussion über die Möglichkeiten und Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit gegenüber anderen Verfassungsorganen wird oft unter dem Stichwort der political question doctrine geführt. Dabei werden die Möglichkeiten der Anwendung dieses aus dem amerikanischen Recht bekannten Prinzips analysiert, in Hinblick auf die Ablehnung von Entscheidungen mit hohen politischen Wert durch das Bundesverfassungsgericht. Die überwiegende Literatur hält diese Doktrin für unvereinbar mit der Verfassung der Bundesrepublik und lehnt ihre Anwendung durch das Bundesverfassungsgericht ab.[Fn 44] Der Gedanke zur Entpolitisierung der Entscheidungen wird jedoch prinzipiell nicht für abwegig gehalten. Dennoch sind es nur wenige Stimmen in der Literatur, die eine Anwendung der Doktrin für möglich halten, [ja sogar dessen Anwendung durch das Bundesverfassungsgericht schon als vorhanden ansehen.[Fn 45]] [Fußnoten:] 41 So u. a. Benda, ZRP, 1977, S. 1 ff. (4). 42 Kriele, NJW1976, S. 777 ff. (777). 43 EuGH, EuGRZ 1976, S. 11; EuGH, EuGRZ 1983, S. 500. 44 Rau a.a.O. (Fn 5), S. 230; Chryssogonos, Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung, Berlin 1987, S. 175.; Landfried, Bundesverfassungsgericht und Gesetzgeber, 2. Auflage, Baden-Baden 1996, S. 151.; Blüggel, Unvereinbarkeitserklärung statt Normkassation durch das Bundesverfassungsgericht, Berlin 1998, S. 177 ff. 45 Dolzer, Verfassungskonkretisierung durch das Bundesverfassungsgericht und durch politische Verfassungsorgane, Heidelberg 1982, S. 29 ff. am Bsp. von EuGRZ 1983, 57 (70). |
Fragmentsichter: Kahrl (Sichtungsergebnis: Neutral) |
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