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Guttenberg 2006 Wolke

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Nachwort Guttenbergs

Stilanalyse[]

Diese Seite fasst die wesentlichen Ergebnisse der Diskussion auf Guttenbergs Stil und einigen anderen Seiten zusammen als Entwurf für ein entsprechendes Kapitel im Abschlussbericht.

Die Arbeit ist stilistisch in zweierlei Hinsicht sehr auffällig. Zum einen findet man eine Vielzahl ganz unterschiedlicher Stile. Zum anderen zeichnet sich das, was man für den eigenen Stil des Verfassers halten darf, durch eine ungewöhnliche Kombination verschiedener Stilelemente aus.

Stilbrüche und Stilvielfalt[]

Auffallend viele unterschiedliche Stile wechseln in der Arbeit miteinander ab und stoßen dabei oft hart aufeinander.

So enthält die Arbeit einige Passagen in einem begrifflichen, eher trockenen Stil, der in juristischen Dissertationen nicht unüblich ist: (Seite 146)

An dieser Stelle soll sich auf diejenigen Merkmale konzentriert werden, die für die Wirkung der „Verfassung als rechtliche Institution“[404] erforderlich sind. Das sind im Wesentlichen formelle, aber auch einige materielle Merkmale (da es eine Verfassung in einem nur formellen oder nur materiellen Sinne faktisch nicht geben kann…

Andere klingen nach Soziologendeutsch: (Seite 295)

Unter den Begriff der verfassungsgerichtlichen Kongruenz soll der Grad gefasst werden, in dem intrainstitutionelle Beziehungen die sozialen Beziehungen abbilden, die sie zu regeln beanspruchen. Hier wird man zweierlei zu berücksichtigen haben: Zum einen richtersoziologische Aspekte, die sich darauf beziehen, inwieweit sich die parteipolitische sowie bikamerale Mitbestimmung bei der Richterwahl signifikant auf die Spruchpraxis der Verfassungsgerichte auswirken.

Anderswo ist der Stil feuilletonistisch: (Seite 53f)

Bereits im November 1923 hatte R. N. Graf Coudenhove-Kalergi, geboren 1894 in Tokyo als Sohn eines k. u. k. Diplomaten und einer Japanerin, ein schmales Buch veröffentlicht [114], in dem er seine Neigung, in Erdteilen zu denken und die Welt nach seinem persönlichen Ermessen zu formen, erstmals einer größeren Öffentlichkeit verriet. Der Titel „Pan-Europa“ stand für ein Programm mit weit reichenden Zielen…

Gelegentlich ist die Sprache einfach: (Seite 38)

Die beiden ersten politischen Parteien spalteten sich entlang dieser Linien. Die Föderalisten bevorzugten einen starken Präsidenten und eine Zentralregierung. Die Demokratischen Republikaner verteidigten die Rechte der einzelnen Staaten, denn dies schien mehr regionale Kontrolle und Verantwortung zu garantieren.

Wieder anderswo ist sie ausgesprochen komplex: (Seite 292)

Diese Institutionalisierung eines autoritativ gesteuerten und gesamtgesellschaftlich wirksamen hermeneutischen Prozesses der Verfassungskultur prägt zunehmend „westliche“, auch ansatzweise „nicht-westliche“ Verfassungsstaaten.

Der Grund für diese Stilbrüche ist mittlerweile bestens dokumentiert. Keines der obigen Beispiele hat der Verfasser eigenständig formuliert, sondern damit lediglich die unterschiedlichen Stile seiner Quellen wiedergegeben.

Eigener Stil[]

Dort, wo der Verfasser selbständig formuliert, geschieht dies in einem, gerade für eine rechtswissenschaftliche Dissertation, sehr eigenen Stil. Es lassen sich eine ganze Reihe stilprägender Merkmale ausmachen, die in ihrer Summe einzigartig sein dürften. Hier ein Beispiel aus dem Vorwort der Arbeit:

So pionierhaft sich diesbezüglich der amerikanische Pfad zu gestalten wusste, so eklektisch eigen wurde der europäische beschritten. Letzterer befindet sich wiederkehrend am Scheideweg. Kann man demgemäß und aktuell von Scheitern sprechen? Von einem großen Projekt, das im Angesicht des Hafens noch tragisch Schiffbruch erleidet? Oder vernehmen wir lediglich ein erneutes, wenngleich keuchendes historisches Durchatmen? Zumindest verpasste Europa in den Jahren 2007 und 2008 zum wiederholten Male den καιρός (Kairos) und ließ die notwendige Unbedingtheit des Gestaltungswillen nur schemenhaft erkennen.

In der folgenden Präsentation von stilprägenden Merkmalen wird jeweils dargestellt, ob sich dieselben Merkmale auch in Guttenbergs Reden im Bundestag oder in seinem journalistischen Werk finden lassen. Diese Vergleiche sind nicht ganz unproblematisch. Die meisten Autoren können ihren Stil dem jeweiligen Anlass und Publikum anpassen. Der erste Entwurf von Bundestagsreden muss nicht zwangsläufig von dem oder der Abgeordneten stammen, welcher oder welche die Rede hält. Journalistische Arbeiten werden oft stilistisch editiert, berichterstattende müssen sich zudem stark dem jeweiligen Stil des Mediums anpassen. Man sollte deshalb keine vollständige Übereinstimmung bei den stilprägenden Merkmalen erwarten.

Ungewöhnlich viele Metaphern[]

Das oben wiedergegebene Zitat aus dem Vorwort enthält auf acht Druckzeilen sieben Metaphern: Pfad, Scheideweg, Hafen, Schiffbruch, keuchend, Durchatmen, schemenhaft. Auch sonst gibt es in der Arbeit auffallend viel Bildsprache. Schwerpunkte bilden dabei Metaphern aus den Bereichen Handwerk, Technik und Transport. Ähnliche Häufungen von Metaphern findet man in Guttenbergs Reden im Bundestag sowie in seiner journalistischen Arbeit. Hier jeweils ein Beispiel:

„Die enge Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten und eine verlässliche europäische Zusammenarbeit werden auf dem Altar der Verhöhnung gewachsener außenpolitischer Strukturen dieses Landes geopfert. Die Außendarstellung des vergangenen Wochenendes ist letztlich nur ein weiterer Gipfel der diplomatischen Geisterfahrten.“ (Rede vom 12. Februar 2003[1].)
„Wenn man sich schon auf vermintes Gelände wagt, dann wenigstens gleich in die Höhle des - bayerischen - Löwen.“ (Die Welt, Jg. 51, 10.07.2001, Nr. 158, S. 2).[2]

Doppel- und Dreifachmetaphern[]

Von den auffallend häufigen Doppel- und Dreifachmetaphern sind manche geglückt, mehr aber sind es nicht. Ein Pfad kann nicht an einem Scheideweg stehen, schon gar nicht wiederkehrend (Vorwort, S. 6):

So pionierhaft sich diesbezüglich der amerikanische Pfad zu gestalten wusste, so eklektisch eigen wurde der europäische beschritten. Letzterer befindet sich wiederkehrend am Scheideweg.

Anderswo trägt Europa Kinderschuhe an Füßen, die noch zu ummanteln sind (S. 19):

Das Resultat der einen kann dabei auf eine nunmehr über 200 Jahre währende Tradition zurückblicken, die andere fertigt sich angesichts der weitaus kürzeren Historie nach klassischen Modellen noch ihre Kinderschuhe ohne dabei modische Entwicklungen außer Acht zu lassen. Europa steht in vielerlei Hinsicht bereits auf festen Füßen, die jedoch einer dauerhaften, resistenten Ummantelung bedürfen.

Weitere Beispiele: Ein Gerüst formt ein Fundament (Seite 26). Eine Verknüpfung wird mit einem Band verschmolzen (S. 306).

Vergleichbare Beispiele findet man auch in Guttenbergs Bundestagsreden sowie in seiner journalistischen Arbeit, wie zum Beispiel den Gipfel der Geisterfahrten oder die verminte Höhle des Löwen in den im letzten Abschnitt angeführten Zitaten. Viele der im Forum:Stilblüten gesammelten Zitate enthalten solche missglückten Doppel- und Dreifachmetaphern.

Andere ungewöhnliche Kombinationen[]

Sehr häufig sind ungewöhnliche Kombinationen von Wörtern bis hin zum Oxymoron, manche höchst originell, manche eher unfreiwillig komisch.

Beispiele für ungewöhnliche Verknüpfungen von

  • Adjektiven und Adverbien: „eklektisch eigen“, „keuchendes historisches“ (beide aus dem oben zitierten Absatz), „traditionell paradoxes“ (ebenfalls aus dem Vorwort).
  • Adjektiven und Substantiven: „lähmender Pragmatismus“, „unbeugsame Gelassenheit“, gerne auch mit eingebauter Metapher: „brachiale Ablehnung“, „unerreichtes (nicht lediglich) wissenschaftliches Kraftfeld“ (alle aus dem Vorwort).
  • Substantiven: „Spannungsfeldbewußtsein“ (sic) (S. 298), „Komplementärverfassungscharakter“, S.131, Seite 131-134, „Verfassungsergänzungsinitiativen“, S. 230, Seite 230-233.

Derartige ungewöhnliche Verbindungen findet man ebenfalls in den Bundestagsreden („Vernetzungen der asymmetrischen Komplexe“; „manchmal fast dilemmatisch geprägte Verhandlungszüge“, „kreativ verantwortungsvoll“ [3] (S. 5480-82) sowie in der journalistischen Arbeit (z.B. „Taktik des vorbeugenden Schweigens“.[4]

Viele der oben genannten Beispiele sind so ungewöhnlich, dass sie zuvor im World Wide Web nicht nachweisbar waren (sogenannte Googlewhacks [5]).

„Wissen“ als Hilfsverb[]

In der Arbeit wird „wissen“ auf höchst ungewöhnliche Weise als Hilfsverb zur Personalisierung unbelebter Subjekte verwendet. Zwei Beispiele dafür enthält das Vorwort: ein Moment, „der dauerhafte Kräfte zu entfalten wusste“, ein Pfad, der sich „pionierhaft … zu gestalten wusste“. Insgesamt lassen sich, gleichmäßig über die Dissertation verteilt, fünfzehn solche Verwendungen von „wissen“ finden. Siehe: Guttenbergs Stil. Wissen als Hilfsverb. In Guttenbergs Bundestagsreden und journalistischer Arbeit ist dieses Stilelement bisher nicht gefunden worden.

Ellipsen[]

Gerade für eine wissenschaftliche Arbeit ist auffällig die häufige Verwendung von Ellipsen, gerne auch am Anfang eines Abschnitts. Das Vorwort beginnt mit den Worten: „Europa und die USA. Mancher Blick...“. Die Einleitung fängt mit einer – allerdings abgeschriebenen – Ellipse an: „E pluribus unum“. Auch in der Folge werden immer wieder Ellipsen verwendet.

In der journalistischen Arbeit lassen sich ebenfalls Ellipsen finden. „Ein politisches Jagdrevier, das zum Nachstellen und Wildern verleiten müsste.“[6] „Freilich Nordostbayern, das sich so gar nicht in das Bild des prosperierenden Freistaats fügen will.“[7]

In den Bundestagsreden sind Ellipsen dagegen selten, vielleicht weil sie im mündlichen Vortrag leicht unbeholfen wirken. Eine nur zu Protokoll gegebene Rede vom 6. April 2006 [8] enthält die folgende Ellipse:

„Ein außerordentlich hilfreicher Ansatz, der in letzter Konsequenz die Glaubwürdigkeit der internationalen Gemeinschaft bezüglich ihrer Verhandlungsbereitschaft untergräbt.“

Einleitung mit Doppelpunkt[]

Sehr häufig werden Sätze mit 1-3 Wörtern und Doppelpunkt eingeleitet (z.B. „Freilich:“, „Zudem:“, „Szenenwechsel:“, „In anderen Worten:“). Schon im Vorwort steht: „Gleichwohl: Wirkliche Besserung ist kaum absehbar“. Siehe: Guttenbergs Stil. Zusammenfassend auf und hinter den Doppelpunkt gebracht. Solche Einleitungen gibt es auch in der journalistischen Arbeit, beispielsweise in Karl-Theodor zu Guttenberg: Zukunft der Bundeswehr - Teil IV der Serie Schlanker und effizienter. Die Welt, 20.11.2009, Nr. 271, S. 6 / Ressort: Forum[9], darunter: „Aber richtig ist auch:“, „Der Auftrag ist klar:“ und „Bei all dem gilt:“. Ähnlich in Welt am Sonntag, 08.06.2008, Nr. 23, S. 10: „Daran ist richtig:“, „Ein Beispiel:“

In den Bundestagsreden haben sich bisher vergleichbare Häufungen nicht feststellen lassen. Allerdings könnte auch der stenographische Dienst des Bundestags manche Doppelpunkte in Kommata verwandelt haben.

Humanistische Bildung[]

Humanistische Bildung wird gerne vorgeführt, wie der im Vorwort dreimal genannte Kairos. Beim Abschreiben einer Quelle wandelt der Verfasser mehrfach „Referenden“ in „Referenda“ um (S. 189, wobei aber „Referenden“ auf S. 190 Fn 536, 191 Fn 538, S. 192, 322, 349 (Haupttext und Fn 1009) übersehen werden). Er verwendet „Paradoxon“ (S. 306) und „idealiter“ (S. 101). An drei Stellen werden Begriffe im altgriechischen Original zitiert: „καιρός“ (Kairos) im Vorwort, „πάντα ρει“ (panta rei) auf S. 144 und „ερμηνευειν“ (hermeneuein) auf S. 262, Fn 755. Ganz sattelfest scheint der Verfasser allerdings weder im Lateinischen noch im Altgriechischen zu sein. Bei der Übersetzung von „E pluribus unum“ als „Aus vielem eines“ (Einleitung, S. 15) wird der Plural in „pluribus“ übersehen. Bei πάντα ῥεῖ und ἑρμηνεύειν werden insgesamt vier diakritische Zeichen unterschlagen, mit dem Effekt, dass die Hermeneutik genauso gut Ermeneutik heißen könnte.

Lateinischen Ausdrücken begegnet man gelegentlich auch in der journalistischen Arbeit sowie in Bundestagsreden. Folgendes Beispiel stammt vom 7. Mai 2003:[10]

Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg (CDU/CSU):
Frau Staatsministerin, da der Grundsatz audiatur et altera pars auch bei mir einen sehr hohen Stellenwert hat –
Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Amt:
Sie dürfen das ruhig auf Deutsch wiederholen.
Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg (CDU/CSU):
– und der Herr Staatssekretär heute leider nicht persönlich anwesend ist, ...

Ein Beispiel aus der journalistischen Arbeit:[11]

„Es bietet sich jedoch an, in der "Euregio Egrensis" den Brückenschlag zwischen lokaler und europäischer Politik zu wagen.“

Fragenkaskaden[]

In der Arbeit werden gelegentlich direkt hintereinander mehrere Fragen gestellt, die nicht im selben Zusammenhang beantwortet werden (so im oben angegebenen Auszug aus dem Vorwort). Weitere Beispiele finden sich auf Seite 290, Seite 305 und Seite 341.

Punktuell tritt dieses Stilelement auch in Bundestagsreden in Erscheinung:[12]

Weshalb benennen Sie keinen dieser Punkte in dieser Deutlichkeit? Wo sind die Ansätze der Bundesregierung, um dieser Entwicklung entsprechend zu begegnen? Herr Außenminister, sie sind offenbar im Nebel Ihrer stets dampfenden Worte irgendwo wabernd verflogen.
(Dr. Angela Merkel [CDU/CSU]: Recht hat er!)
Zugestanden: Einige Punkte sind benannt worden; aber, Herr Staatssekretär, ich frage mich, wo der Ansatz über die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu finden ist
(Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Ja, das haben wir vermisst!)
und wie es mit dem so notwendigen und von Ihnen immer wieder benannten Berlin-plus-Prozess weiterzugehen hat. Welchen Beitrag leistet die Bundesregierung dazu?
...
Welchen Beitrag wird es hierzu von der Bundesregierung geben?
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Was versucht die Bundesregierung zu unternehmen, um den ursprünglichen Zeitplan für eine einsatzfähige europäische Eingreiftruppe in Mazedonien oder einem anderen Krisenherd einzuhalten?

Häufig verwendete Wörter[]

Eine Reihe von Wörtern oder Ausdrücken wird überdurchschnittlich häufig verwendet – keines für sich ungewöhnlich, in der Summe aber doch kennzeichnend. Dazu gehören „freilich“, „zudem“ (beide werden gerne auch ohne Doppelpunkt am Satzbeginn verwendet), „gleichwohl“, „Gestalt“ (und Derivate) und „im Hinblick auf“. Nachweise findet man im Forum:Guttenbergs Stil.

Tatsächlich[]

„Tatsächlich“ wird außerdem oft ungewöhnlich bis ungeschickt als Steigerung eingesetzt, wie beim Dank an den Zweitkorrektor im Vorwort als „einem weiteren tatsächlich bedeutenden Europäer“, oder sogar etwas irreführend auf S. 26, wonach die amerikanische Unabhängigkeit im Pariser Frieden ihre „tatsächliche Anerkennung“ durch Großbritannien gefunden habe. Das könnte man dahingehend missverstehen, dass Großbritannien die USA im Pariser Frieden nur faktisch, nicht aber rechtlich und verbindlich als unabhängig anerkannt hätte. Auch in der journalistischen Arbeit konnte eine ähnlich ungeschickte Verwendung von „tatsächlich“ identifiziert werden: „Zudem lässt sich der Vorwurf entkräften, lediglich Potemkinsche Dörfer zu besuchen und die tatsächlich Not leidenden Regionen und Stadtviertel bewusst zu umgehen.“[13] Potemkinsche Dörfer spiegeln nicht Not, sondern Wohlstand vor.

Verteilung[]

Passagen, die im typischen Stil des Verfassers gehalten sind, lassen sich in allen Textteilen der Arbeit feststellen, also Vorwort, Einleitung, Hauptteil (Kapitel B und C), Nachwort und Zusammenfassung. Auch in den Fußnoten wird man fündig.

Durchgehend von Stilelementen des Verfassers geprägt sind Vorwort, Einleitung, Nachwort und Zusammenfassung. In der Einleitung lassen sich weiche, nicht besonders auffällige Stilübergänge dort erkennen, wo der Verfasser von der Überarbeitung einer Quelle zur nächsten wechselt (z.B. im zweiten Absatz auf S. 16).

Kapitel B führt zunächst diesen Stil der Einleitung (durchgehend Stilelemente mit weichen Stilübergängen) weiter. Im Verlauf dieses Kapitels nehmen die Stilübergänge an Härte zu und werden schließlich zu klaren Stilbrüchen.

Auf S. 38 wechselt der Verfasser kurzfristig von einer komplizierteren zu einer schlichten Satzstruktur (oben zitiert als Beispiel für einfache Sprache). Den ersten eindeutigen, aber immer noch nicht sehr auffälligen Stilbruch findet man auf der vorletzten Zeile von S. 49, dem eine ganze Textseite folgt, die nahezu keine typischen Stilelemente des Verfassers enthält. Der nächste Stilbruch, schon etwas offensichtlicher, ist auf S. 53 im letzten Absatz zu erkennen (oben zitiert als Beispiel für feuilletonistischen Stil). Der Stil bleibt dann konstant, wechselt aber auf S. 57 im zweiten Absatz plötzlich mit einer typischen Mehrfachmetapher (ein Anschwellen unterspült Boden) zurück zum Stil des Verfassers.

Die übernommenen Texte werden im Folgenden, spätestens ab der geschlossenen Übernahme von zwölf Seiten aus der Arbeit von Volkmann-Schluck (S. 102-113) deutlich weniger überarbeitet als in der Einleitung und zu Beginn von Kapitel B. Der typische Stil des Verfassers in Reinform tritt nur noch an Übergängen zwischen übernommenen Texten oder an solchen Stellen in Erscheinung, für die bisher kein Plagiat nachgewiesen wurde.

Folgende zufällig genommene Stichproben (ohne Übersetzungsplagiate) aus dem Hauptteil zeigen fast gar keine typische Stilprägung, mit Ausnahme der oben erwähnten Verwendung von „müssen“ als Hilfsverb:

  • Seite 146 Kleine Änderungen: „hochgradig“ wird zu „zu einem erklecklichen Teil“, „[d]eswegen“ zu „[d]emzufolge, „keine“ zu „kaum“. Die Meinungsäußerung „[n]ach der hier vertretenen Auffassung müssen“ wird zum unpersönlichen „[a]n dieser Stelle soll“, ein im Original separater Satz wird in einer Klammer in den vorausgehenden integriert.
  • Seite 167 Nach einer paraphrasierten Überleitung nur eine Änderung: die „politischen Familien“ werden in Anführungszeichen gestellt.
  • Seite 187 Nur eine geringfügige Änderung: „liegt darin“ wird zu „lag und liegt stets darin“.
  • Seite 249 Wieder nur geringfügige Änderungen. So wird „problematisch“ zu „nicht unproblematisch“, „[a]llerdings“ zu „[j]edoch“, „unproblematisch“ zu „ohne Schwierigkeiten zu bewerkstelligen“.

Erscheinungsformen[]

Somit lassen sich im Stil des Verfassers folgende Erscheinungsformen unterscheiden:

Reinform[]

Den Stil des Verfassers in Reinform findet man im Vorwort und in der Zusammenfassung. Von der Einleitung, dem Hauptteil und dem Nachwort sind in Reinform einige derjenigen Stellen gehalten, für die noch kein Plagiat nachgewiesen wurde (z.B. S. 221 Absatz 2 bis S. 223 oben).

Die Reinform tritt ebenfalls am Übergang zwischen zwei Plagiaten in Erscheinung. So werden zwei übernommene Textteile durch ein Stück eigenen Text miteinander verbunden. Ein schönes Beispiel dafür befindet sich auf Seite 287. In diesem Fall wurde ein Stilbruch durch zwei ersetzt. Seite 290 zeigt ein weiteres Beispiel dafür, wie Fremdform mit Reinform abwechseln kann. Siehe auch: Guttenbergs Klebestift.

Überarbeitungsform[]

Einleitung, Nachwort und der Beginn von Kapitel B enthalten Passagen, die zwar von anderen Autor(inn)en stammen, aber stark stilistisch überarbeitet wurden. Hier mischt sich der Stil des Verfassers mit dem jeweiligen Stil des übernommenen Textes, zumal die Überarbeitung in der Regel nur behutsam in die vorgefundene Satzstruktur eingreift. Damit lassen sich auch zwei Abweichungen der Überarbeitungsform von der Reinform erläutern: Die Sätze werden tendenziell länger, und Parenthesen kommen häufiger vor. In diesen Zusätzen zum Originaltext findet man gehäuft die Stilelemente des Verfassers.

Das kurze (gut einseitige) Nachwort (Seite 403, Seite 404) zeigt schön, wie eine fremde Quelle (Zeitungsartikel, Moisi 2001) mit stilistischen Merkmalen des Verfassers aufgeladen wird. Beispielsweise genügt der „rasante Wandel“ des Originals nicht. Der muss noch im selben Satz durch eine doppelte Federführung (USA und Europa, da möchte man zusehen, wie die gemeinsam eine Feder führen) sowie gemeinsame Wurzeln (in der Rhetorik häufiger anzutreffen als in der Botanik) ergänzt werden. Der Satz schließt mit einer Guttenbergschen Häufung von „eigenverantwortlich materialistischen Grundprägungen“ und einer weiteren Metapher (Nahrung).

Der nächste Satz häuft ebenfalls zwei Metaphern (Spannungsfeld, Koppelung), die im Original nicht enthalten sind. Der nachfolgende spricht, sicherlich originell, von „benevolenten Hegemonialstrukturen“. Im selben Absatz werden noch „Strömung“ und „Druck“ hinzugefügt, im nächsten „Distanz“ und „Fessel“. Im letzten Absatz des Nachworts kreiert der Verfasser einen „neuen, gewaltlosen und positiv einzuschätzenden ‚Verfassungsimperialismus‘“ und fügt dem Original noch die Metapher einer „Kollision“ hinzu. Natürlich bemüht man sich beim Nachwort auch etwas mehr, weil es in aller Regel mehr gelesen wird als der Haupttext.

Ein weiteres Beispiel für die Überarbeitungsform findet man auf Seite 27. Der eher vage „Einfluß“ im kopierten Text wird zum „spürbare[n] Impuls“, die – diesmal passende – doppelte Metapher von „Ringen“ und „Klammergriff“ tritt hinzu. Dagegen übersieht (und übernimmt) der Bearbeiter einen Rechtschreibefehler im Namen des „großen englischen Juristen Cocke“, tatsächlich Sir Edward Coke.

Bearbeitungsform[]

In der Bearbeitungsform dominiert der Stil der übernommenen Quelle. Wo der Text vom Original punktuell abweicht, lassen sich gelegentlich typische Stilelemente des Verfassers erkennen. Diese Bearbeitungsform tritt gehäuft in Kapitel B (spätestens ab S. 102) und Kapitel C auf, beispielsweise auf Seite 176.

Schlussfolgerungen[]

Die Stilanalyse kann für eine Reihe von Schlussfolgerungen genutzt werden.

Umstände der Entstehung[]

Plagiate entstehen zumeist aus Zeitdruck, Bequemlichkeit, Unsicherheit oder einer Kombination dieser Faktoren. Der auffällige eigene Stil spricht gegen Unsicherheit. Die zunächst stärkeren, dann nachlassenden stilistischen Überarbeitungen lassen vermuten, dass vor allem Zeitdruck die gemeinsame primäre Ursache für den außerordentlich großen Anteil von Plagiaten sowie für den stilistischen Verlauf der Arbeit war. Lag zunächst dem Verfasser daran, die Übernahme fremder Texte durch Umformulierungen möglichst wenig offensichtlich werden zu lassen, war dieses Anliegen spätestens ab der Übernahme von zwölf zusammenhängenden Seiten Text weniger vordringlich und wurde schließlich für den Hauptteil der Arbeit (Kapitel B und C) aufgegeben. Die erfahrungsgemäß am meisten gelesenen Teile einer Arbeit – Vorwort, Einleitung, Zusammenfassung sowie die etwas ungewöhnliche Zugabe eines Nachworts – waren aber offenbar doch den Aufwand wert, den ein weitgehend geschlossener Stil erfordert.

Späte Entdeckung der Plagiate[]

Bei den zahlreichen klaren Stilbrüchen, die dokumentiert sind, ist nicht verwunderlich, dass die Plagiate schließlich jemandem aufgefallen sind. Erklärungsbedürftig ist eher, warum sie offenbar weder Erst- noch Zweitkorrektor haben stutzig werden lassen.

Die Art, in welcher der eigene Stil des Verfassers sich über die Arbeit verteilt, könnte diesen Umstand teilweise erklären. Der graduelle Wechsel von stilistischer Reinform zu Überarbeitungsform, weiter zur Bearbeitungsform und schließlich zur unveränderten Wiedergabe von Originaltexten kann einen Leser, der die Arbeit von vorne bis hinten durchliest, langsam gegen Stilbrüche abstumpfen, zumal mit fortschreitender Lektüre in der Regel auch die Konzentration abnimmt. Schlägt man dagegen die Arbeit an einer beliebigen Stelle weiter hinten auf und liest ab dort weiter, fallen einem Stilbrüche weitaus leichter auf. Beim Erstkorrektor kommt noch hinzu, dass er sich offenbar vor der Abgabe in seinem Doktorandenseminar die Arbeit kapitelweise im freien mündlichen Vortrag (und damit wohl ohne Stilbrüche) hat präsentieren lassen (Heribert Prantl: Verfassungsänderung, Süddeutsche Zeitung vom 09.04.11 / Bayern, Seite 3). Das ist nicht mehr und nicht weniger als eine mögliche Erklärung dafür, warum Erst- und Zweitkorrektor hier versagt haben.

Der vorliegende Bericht kommt somit zu einer anderen Bewertung als der am 11. Mai 2011 veröffentlichte Abschlussbericht der Kommission „Selbstkontrolle in der Wissenschaft“ der Universität Bayreuth.[14] Dort heißt es:

Aus Sicht der Kommission sind etwaige Stilbrüche nicht derart offensichtlich, dass sie bei den Gutachtern einen Verdacht hätten auslösen müssen. Dazu trägt ein durchaus eigenwilliger, aber doch weithin einheitlicher Stil bei, der an eingängig zu lesende Vortragstexte und gut lesbare Beiträge des ambitionierten politischen Feuilletons erinnert. Dass sich bei den Gutachtern der Eindruck eines stilistisch weithin kohärenten Textes eingestellt hat, kann die Kommission nachvollziehen.

Wie oben ausführlich dokumentiert wurde, wird dieser eigene Stil häufig unterbrochen. Klare Stilbrüche sind zahlreich vorhanden.

Noch nicht gefundene Plagiate[]

Stilanalyse hat sich als ein nützliches Mittel für die Identifizierung weiterer Plagiate erwiesen. Im Forum:Guttenbergs Stil wurden längere „weiße Stellen“ in der Arbeit, für die auch nach intensiver Internet- und Datenbankrecherche kein Plagiat nachgewiesen wurde, genauer auf ihren Stil untersucht. Passagen ohne typische Stilelemente wurden als besonders verdächtig ausgewiesen. Eine gezielte Suche nach teilweise unveröffentlichten, teilweise nur gedruckt vorliegenden Quellen hat mehrfach den entsprechenden Verdacht bestätigt. Siehe Seite 287, InBox S. 289-292, InBox S. 294-296.

Ghostwriter-These[]

Die Frage, ob der Verfasser das Werk eigenhändig „in mühevollster Kleinarbeit“ zusammengestellt hat, lässt sich nicht mit Sicherheit aus einer Stilanalyse heraus beantworten. Immerhin lässt sie einige der diskutierten Varianten (Forum:Ghostwriter) plausibler und andere weniger plausibel erscheinen. Auch insofern weicht unsere Bewertung von dem am 11. Mai 2011 veröffentlichten Abschlussbericht der Kommission „Selbstkontrolle in der Wissenschaft“ der Universität Bayreuth ab.[15] Dieser Bericht vermerkt auf S. 26 nur lakonisch, zu dieser Frage habe die „Kommission keine Feststellungen treffen können“.

Zunächst ist festzuhalten, dass von den oben dargestellten zehn Stilelementen, welche die Arbeit in der Reinform aufweist, sich neun in Guttenbergs journalistischen Arbeiten und/oder Reden im Bundestag ebenfalls nachweisen lassen. Das dürfte mehr Übereinstimmung sein, als man angesichts der sehr unterschiedlichen Adressaten, Textsorten und Quellen, aber auch dem Editieren durch den stenographischen Dienst des Bundestags bzw. der Zeitungsredaktion hätte erwarten können.

Ausgenommen davon ist nur die oben beschriebene, ungewöhnliche fünfzehnmalige Verwendung von „wissen“ als Hilfsverb. Nun sind die meisten Autor(inn)en in der Lage, ihren Stil den jeweiligen Umständen anzupassen. In der Dissertation wird dieses Stilelement inhaltlich verwendet, um Institutionen oder Prozesse als sinnstiftend erscheinen zu lassen und entsprechende Erklärungen zu liefern; stilistisch soll es wohl besonders gelehrt klingen. In Bundestagsreden oder Zeitungsartikel dürften derartige Formulierungen leicht abgehoben oder deplatziert wirken. Wer dieser Erklärung nicht folgt, könnte diese ungewöhnliche Verwendung von „wissen“ als Hinweis darauf sehen, dass neben Guttenberg noch eine weitere Person an dieser Arbeit mitgeschrieben hat. Diese andere Person müsste dann auch eine Vorlage für das sehr persönlich gehaltene Vorwort verfasst haben, denn dort wird „wissen“ gleich zweimal in der beschriebenen Weise verwendet.

In der Überarbeitungsform kommt ein weiteres Stilelement hinzu, das allerdings für wissenschaftliche Arbeiten nicht ungewöhnlich ist, nämlich die häufige Verwendung von Parenthesen. Hier liegt allerdings nahe, dass der Verfasser aus Bequemlichkeit die ursprüngliche Satzstruktur des Originals weitgehend intakt gelassen und die inhaltliche Anpassung oder stilistische Bearbeitung deshalb in Parenthesen untergebracht hat.

Damit lässt sich zunächst festhalten: Von einer Stilanalyse aus gesehen spricht nichts durchschlagend gegen Guttenbergs Versicherung, dass er die Dissertation eigenhändig zusammengestellt hat.

Als höchst unplausibel lässt die Stilanalyse die These erscheinen, die ganze Arbeit sei von einem professionellen Ghostwriter ohne nähere Beziehung zu Guttenberg verfasst und ohne weitere Überarbeitung eingereicht worden.

Als sehr zweifelhaft darf weiterhin die These gelten, ein professioneller Ghostwriter habe eine komplette Vorlage geliefert, und Guttenberg habe diese Arbeit dann (mehr oder weniger) komplett stilistisch umgeschrieben. Diese Ansicht ist schwer zu vereinbaren mit dem Phänomen von Guttenbergs Klebestift, wobei zwei ganz oder nahezu unverändert kopierte Textpassagen mit wenigen Sätzen im speziellen Stil des Verfassers verbunden werden. Wenn Guttenberg die Arbeit nicht selbst verfasst hätte, hätte er kaum wissen können, dass genau an dieser Stelle seine Stilelemente hinzugefügt werden müssen. Zudem ist dieser doppelte Stilbruch auf engem Raum kein geeignetes Mittel dafür, den Verdacht einer Fremdautorschaft zu vermeiden.

Im Forum:Guttenbergs Stil wurde eine andere Variante diskutiert, die mit den Ergebnissen der Stilanalyse vereinbar ist. Demzufolge hätte ein(e) enge(r) Vertraute(r) von Guttenberg die Dissertation verfasst und zunächst Guttenbergs eigenen Stil genau studiert, um dann die ganze Dissertation in einem möglichst authentischen Guttenberg-Stil zu verfassen. Erklärungsbedürftig bleibt dann aber die enorme Diskrepanz zwischen der peinlich genauen Sorgfalt beim Stilkopieren, der immer schwächer werdenden stilistischen Bearbeitung und vor allem der höchst leichtfertigen Form des Plagiats. Auch diese These erscheint letztlich nicht besonders plausibel.

Die Stilanalyse kann nichts dazu aussagen, ob der Verfasser Helfer(innen) beschäftigt hat, die ihm die zahlreichen Werke gesammelt und zugetragen haben, aus denen die Arbeit zusammengesetzt ist. Die hohe Quote nichtjuristischer Texte, die in diese juristische Doktorarbeit eingebunden wurden, könnte ein Indiz dafür sein, dass es solche Hilfe aus anderen Fachbereichen gab. Sie könnte allerdings genauso gut damit erklärt werden, dass der Verfasser eher wahllos alles eingearbeitet hat, was sich im Internet zu den entsprechenden Stichworten finden ließ.