Die Promotion ist ein akademischer Grad – unabdingbar für eine Karriere im Wissenschaftsbetrieb, da sie der Ausweis eigenständiger wissenschaftlicher Leistungsfähigkeit ist: Eigenständig, weil eine bis dahin neue Forschungsfrage verfolgt wird, weil sich auch die betreuenden ProfessorInnen ab einem gewissen Fortschritt der Arbeit mit dem spezifischen Gebiet nicht so gut auskennen wie die Promovierenden und weil es bei Promotionen keine Abgabefristen gibt – trotzdem sich durchzubeißen, irgendwann die Kurve zu bekommen und dann abzugeben, daran scheitern viele Dissertationsprojekte. Wissenschaftlich, weil sie den Regeln der jeweiligen Wissenschaft gemäß erfolgt, weil sie wissenschaftliche Verfahren anwendet und vor allen Dingen weil sie die Wissenschaft weiterbringen soll. Nichtsdestotrotz ist sie weniger der Ausweis wissenschaftlicher Leistung als der Befähigung dazu: Dissertationen sind so hochgradig spezialisiert, dass sie in der Regel in einer Auflage von unter 150 Stück vertrieben werden, selten ausverkauft sind und in Bibliotheken oft ungelesen im Regal stehen. Die wissenschaftliche Erkenntnis der 200-500 Seiten wird in 15-20seitigen Aufsätzen, Artikeln in Fachzeitschriften oder Vorträgen meist ausreichend vermittelt – einem kleinen... sehr kleinen, hochspezialisierten Fachpublikum. Die Leistung der (je nach Fach) durchschnittlich zwei bis sechs Jahre, die in diesen Arbeiten stecken, als solche ist also eher unwichtig. Wenn aber dann die Forschungsprojekte beantragt werden und Bewerbungen auf entsprechende Stellen im wissenschaftlichen Betrieb erfolgen, weist man aus, dass man diesen Weg beherrscht, dass man wissenschaftliche Projekte ordentlich durchziehen und zu einem ertragreichen Ende führen kann.
Ihr wichtigster Unterschied zu einem Magister, Master, Diplom oder Staatsexamensabschluss ist, dass diese zu der vorherigen Stufe (z.B. Bachelor) über ein Mehr an Wissen, eine größere Bandbreite und dichtere Vernetzung ihres Know-Hows verfügen. Promotionen hingegen stellen eine eng zugespitzte Vertiefung von Wissen und nicht eine Verbreiterung des Fachwissens dar. Entsprechend sind promovierte JuristInnen nicht diejenigen, die sich mit mehr juristischen Fragen auskennen als die KollegInnen, die in der gleichen Zeit in der Jurisprudenz gearbeitet haben. Für die Aufgaben im Berufsleben sind ihre Promotionen also nur dann relevant, wenn sie mit ähnlichen Verhältnissen konfrontiert sind wie einer wissenschaftlichen Forschung – das trifft aber selten zu. Schon etwas häufiger trifft dies auf andere sozial- und geisteswissenschaftlich Promovierte in ihren Arbeitsbereichen zu: Eine BWL-Promotion mag Manchen große Projekte in der Privatwirtschaft einfacher zu bewältigen machen, eine kunsthistorische Dissertation abgeliefert zu haben, kann für die Entwicklung von Ausstellungskonzepten hilfreich sein. Auch in diesen Fällen gilt: wenn denn, dann ist nicht das Produkt selbst der Schlüssel, sondern der Weg zu diesem. Und entsprechend heißt dies auch hier: die Promotion ist ein Ausweis für die Befähigung etwas auf eine bestimmte Art und Weise anzugehen, der ausgestellt wurde, weil einmal etwas Ähnliches auf diese Weise angegangen wurde. Sie ist kein Ausweis für Leistung und kein Ausweis für ein Mehr an Wissen oder fachlicher Kompetenz. Und sie ist schon gar kein „Titel“.